laut.de-Kritik
Hedonistische Kurzweil im geistigen Autopilotmodus.
Review von Matthias MantheDass Hip Hop dereinst für postironische Winkelzüge genutzt werden würde, stach hierzulande nicht erst mit MoneyBoy lila ins Auge. Als leicht zugängliches Genre, das außer basalem Rhythmusgefühl, einem Musikproduktionsprogramm sowie Wortwitz eigentlich nur ein Verständnis für den Millennial-Zeitgeist voraussetzt, lag Hip Hop schon einige Weilen auf dem Outlettisch des Popfames.
Im Zeitalter der Postauthentizität liefert das Glasfaserkabel den Trapsound schließlich direkt bis in die Software-Presets. KünstlerInnen suhlen sich im Augenzwinkern des Denglischen. Anstelle politischer Kommentare setzt es postironische Posen in der Kotflügelzeitlupentelefonkamerafahrt. Und weil Identität ja eh nur ein Konstrukt ist, lautet die Devise: Instagram-Selfie statt Pressefoto. Ramschig-authentizistische YouTube-Posts statt budgetiertem Musikvideo. Verrauschte Selbstreferenzialität statt Hochglanz-Eklektizismus. Autotune-Onomatopoesie ("Brrrrrra", "Sheeeeesh") statt Semantik.
Auch Kunsthochschulabsolventin Ronja Zschoche alias Haiyti weicht mit ihrem kostenlosen "City Tarif"-Mixtape nicht grundlegend vom postironischen Gestus ab. Wie die Jungenschar der Glo Up Dinero Gang (GUDG) croont und spittet sie über hallende Trapbeats. Die Endzwanzigerin lässt uns wissen, wie fly sie ist und wie viel Speed in ihrer Hamburger Deutschtrap-Blase so allwochenendlich missbraucht wird. So weit, so banal, so selbstaffirmativ wie die Langenscheidt-Jugendwortliste der vergangenen Jahre, die glauben machen will, es existiere noch so etwas wie eine Sprachinstanz, die insbesondere ältere Semester durchs Dunkel der gemeinen Alles-geht-Attitüde leitet.
Dennoch: Bei Haiyti macht die aggressive Hybris ganz besonders Spaß. Denn so wie viele Veröffentlichungen des Untergrund-Genres Vaporwave zweigleisig funktionieren, nämlich als ironischer Bruch mit Fahrstuhlmusik sowie als makelloser Ambient-Soundtrack für den audiophilen Chillout, funktioniert auch das "City Tarif"-Tape: als einnehmend eingängige und abwechslungsreiche Projektionsfläche für hedonistische Kurzweil im geistigen Autopilotmodus, die außerdem althergebrachten Gangsterrap persifliert.
Die Produzenten Asad John, GEE Futuristic und Yung Nikki3000 liefern Haiyti dazu einen Soundteppich, der kontrastreich zwischen Vollgas ("Runter Von Der Straße") und klebriger Synth-Sentimentalität ("Wie Es Ist") changiert. Besagte Projektionsfläche artikuliert Zschoche virtuos und mit viel Abwechslung zwischen Gangsterballade und Clubbanger aus. Nicht umsonst greift Haiyti aka Robbery schon seit etwa zehn Jahren zum Mic: Nun, auf "City Tarif", beißen sich ihre Zeilen unnachgiebiger denn je im Gedächtnis fest.
Sie lässt sich hier somit zwar mit der GUDG assoziieren, bleibt aber doch immer eigenständig und deutlich facettenreicher als der Kollegenkreis. Nicht zuletzt bildet auch in 2016 noch die Tatsache, dass Zschoche als Frau ein Gros der männlichen Konkurrenz mühelos in den Testosteronschatten stellt, ein Alleinstellungsmerkmal im Schwanzvergleichsbrei des Deutsch(t)rap. Schön für Haiyti. Eigentlich aber 1 bisschen bedauerlich.
3 Kommentare mit 3 Antworten
Wenn ihr keinen Rezensenten habt, der sich mit HipHop/Rap einigermaßen auskennt, dann lasst das Genre doch einfach aus, und bewertet nur Popalben. So einen Schwachsinn daherzulabern ist in jedem Fall eine Frechheit.
Ja, es stimmt: Du bist ein Vollidiot.
@Pifff:
Begründungen und alternative Rezensionen werden stets gerne gesehen. Selbst ersonnene natürlich; verlinken auf bereits vorhandenes Fanboi-Gesülze kann jeder.
Gruß
Skywise
Frage mich ja, was deine Intention hier ist. Hayiti hat schließlich 4 Punkte bekommen und wird vom Grundton her gelobt.
Das ständige Verweisen auf Post-x hätte man sich sparen können, aber anders können sich viele Leute solche Phänomene halt nicht mehr erklären. Wobei die Begriffe selbst ja nicht das Problem sind, da sie je nach Kontext deskreptiv einen Nutzen haben, den ich anerkennen kann, sondern eher, dass viele Leute, die sie benutzen, scheinbar immer noch im vorherigen "Zeitalter" feststecken oder ihm irgendwie hinterherschwärmen.
"Postauthentizität" lasse ich mal unter den Tisch fallen. Glaube viel mehr, dass gerade durch die anderen genannten Begriffe Authentizität gerade neu definiert wird.
@Piff hat HipHop nicht verstanden. Fromm hat. Ersgutefrau!
Ihr straightestes Release. Würden wohl die meisten als ihren "Klassiker" (ziemlich komisch nach nur knapp 1 Jahr das so zu sagen) bezeichnen. Immernoch voller Banger auch jetzt ein Jahr später. Aber eben auch recht straight forward und weniger komplex als Havarie oder Nightliner. Trotzdem 5/5 von mir, auch wenn die Skits echt ziemlich nerven…