laut.de-Kritik
Verführerisch mit Schattenseiten.
Review von Anastasia HartleibHaiyti spaltet seit jeher die Geister. Ob sie nun flext, schreit oder singt: Die Welt findet es entweder absolut genial oder geradeheraus furchtbar. Inhaltsleer, ergreifend emotional, Straße, Pop, down to earth und auf der Jagd nach Statussymbolen. Jeder einzelne Begriff trifft auf Haiyti zu und doch niemals alle auf einmal und keiner für sich.
Auch auf ihrem neuesten Werk "Sui Sui" setzt sich diese Vielseitigkeit fort. Die Hamburgerin scheißt auf alles, fährt im "Bentley" und mit "Designer-Drugs im Blut" durch die Straßen von "Toulouse". Während sie in der einen Sekunde Statussymbole checkt und Scheine zählt, überkommt sie im nächsten Moment eine unbändige Traurigkeit. "Sui Sui" erzählt in Randbemerkungen und leisen Momenten viel von Einsamkeit, Depression, Selbstmordfantasien und innerlicher Leere ob der schieren Masse an Dingen, die seine Erzählerin umgeben.
Musikalisch klingt Haiytis elfte Veröffentlichung zurückhaltend. Die Beatproduktionen eint eine melancholische Leichtigkeit, und changieren dabei zwischen hartem Trap-Sound und tropischem Weichspül-Pop. Trotzdem drängt sich keiner der Beats unangenehm auf. Sie erscheinen eher als höfliche Begleiter Haiytis, die ganz klar nur dafür existieren, sie hier und da noch ein bisschen mehr scheinen zu lassen.
Ob nun die Zurückhaltung der Beats Haiytis Rhythmen beflügeln oder ob ihr Flow einfach nach dezentem Hintergrund verlangt: Sie & die Beats harmonieren fantastisch. Was auch immer man von ihr halten mag, so muss sich doch jeder eingestehen: Handwerklich gibt es im Deutschrap derzeit keine*n, der oder die ihr das Wasser reichen kann. Haiyti setzt ihre Stimme ein wie andere die 808. Von schrillen, aggressiven Lines wie aus der Automatik-Pistole über zart gesungene Verse, zu Free Jazz-artigen Vorträgen und geflüstert kreiselnden Hooks. Sie kann einfach alles: Die harte Schiene der Südstaaten-Gangster, den bluesigen Ernst eines Trettmann oder die blubbernde Leichtigkeit von K-Pop Sternchen.
Doch dieser wilde Mix, so verführerisch er lockt, hat auch seine Schattenseiten. Natürlich wirken die Kontraste, die Haiytis Songwelten aufwerfen, faszinierend. Zu Beginn kann man sich kaum satthören an der Mühelosigkeit, mit der sie in der einen Zeile "Asbach in mei'm Doublecup / Der Club ist voll mit Bubble Butts / Parkplatz für das Assipack / Du bist high wenn ich kasse mach" rappt um in der nächsten "wieder aufgewacht wie Audrey / keine Diamonds doch ist okay / ich war glücklich für ein' Moment / Check-Out im billigsten Hotel" zu singen. Gerade diese Unverhofftheit, mit der Lifestyle-Geplänkel auf abgrundtiefe Emotionalität treffen, entfaltet erst so richtig deren Wirkungskraft. Mit der Zeit stellt sich allerdings die Frage, wie anziehend diese Welt voller Höhen und Tiefen wirklich ist.
Schon während man ihre Songs erstmals zu Ohren bekommt, kann man ihnen beim Altern förmlich zuhören. Und das steht ihnen nicht gut. Haiytis Songs könnten zeitlos sein, würden sie sich nicht hinter der Schnelllebigkeit und Belanglosigkeit des Zeitgeistes verstecken. "Ich Hab Mit Dem Money Getalked", "La La Land" oder "Paname" nerven schon nach der zweiten Hook. Was problematisch deshalb ist, weil die Songs auf "Sui Sui" sind relativ kurz sind und aus ebenso kurzen Versen bestehen - und vielen Refrains. Der Trashfaktor dieser Songs färbt auch auf die Perlen des Albums ab, wie "Asbach (Feat. Klapse & Capuz)", "Audrey", "Photoshoot" oder "Toulouse (Feat. Albi X)", bei denen man sich jetzt schon fragt, wie lange man diese Songs wohl hören kann, bis sie einem alt vorkommen.
Diesen Effekt konnte man bereits bei "Follow Mich Nicht" und "Montenegro Zero" beobachten, die sehr bald nach ihrem Erscheinen bereits einen pelzigen Geschmack auf der Zunge hinterließen. Er wird wohl auch "Sui Sui" einholen, denn - und das ist unbestreitbar - der Zeitgeist verfliegt. Die Frage ist nur, wie viel Zeit ihm noch bleibt.
8 Kommentare mit einer Antwort
Wie immer zwischen 0 und 1 Punkt Wertung. Der Song aus dem Video ist einfach nur öde. Stimme und Reimtechnik eh grottig.
Haiyti macht wirklich eher flüchtige Musik. Fand das Album beim ersten Hören okay, wenigstens hat sie diesmal ein klares Konzept und sehr gute Beats. Mich freut auch, dass sie nicht mehr gar so dadaistisch herumkiekst wie auf "Perroquet".
Allerdings: Schon 2015 haben alle geschrien, dass man von Haiyti in einem halben Jahr nichts mehr hören werde. Nix wars. Ob das nun an ihr oder am Geschmack der Leute liegt, kann ich nicht beurteilen.
Kaum kommt der Artikel zu den miesesten Alben des Halbjahres, kommt sofort ein Anwärter fürs zweite Halbjahr. Wie bestellt!
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Lustigerweise gefallen mir immer die Haiyti-Projekte am besten, die hier eher schlecht wegkommen. Ich muss mich aber auch noch einmal mit ihren älteren Sachen beschäftigen. Das hier klingt ziemlich gut, für mich zum Beispiel besser als Montenegro Zero. "Was hast du damit zu tun" ist ein Überhit und ansonsten klingt das Album stimmiger als die doch recht unterschiedlichen Singles vermuten ließen.
Ich finde den Flüchtigkeitsvorwurf an ihren Sound jetzt auch nicht zutreffender als bei mindestens 75% aller anderen Deutschrapalben, wobei der Rest dem auch nur entgeht, indem er vermeintlich zeitlosen Boombap-Sound kopiert. Insgesamt ist Haiyti schon künstlerisch wertvoller als der meiste andere Kram aus D-Land, auch wenn ich verstehen kann, wenn einen genau das abschrekt bzw. das beim drölften Release auch kein Argument mehr ist.
Joa, Album hat seine Wertung durchaus verdient. Super produziert, aber da blieb bei anderen Projekten schon mehr hängen. Reiht sich nahtlos an ihre sonstige Diskografie an. La La Land mochte ich tatsächlich und geht mir besser rein als die eher angestrengten ernsten Traplieder. Die Features waren insgesamt auch nicht so das gelbe vom Ei. Aber nein, ich bin Fan geblieben.
Haiyti überzeugt mich ein weiteres Mal. Mochte auch Perroquet ziemlich. Eigentlich mag ich alle ihre Releases. Auch dieses. Sie spielt halt in ihrem eigenen Kosmos.
Favoriten:
WHDDZT, Photoshoot, Touluse, SRQ (Uff)