laut.de-Kritik

Pop, der Grenzen sprengt.

Review von

Was wäre, wenn Billie Eilish nicht mit Justin Bieber sondern Bombay Bicycle Club sozialisiert worden wäre und ein britisches Internat besucht hätte? Wie würden Two Door Cinema Club klingen, wenn sie statt Gitarrist Sam Halliday einen Drummer am Songwritingprozess beteiligen würden? Und was, wenn Justin Vernon Kanye West schon zu Zeiten des ersten Albums in der einsamen Hütte kennengelernt hätte, der Rapper aber heimlich als nerdiger Geographiedozent seine Kröten verdienen würde? "Now, Not Yet" liefert die Antworten auf solch seltsame Fragen: Half Alive präsentieren Indie-Pop up to date 2019.

Interessanterweise trafen sich die Kalifornier anfangs nur, um sich gemeinsam an Songs auszuprobieren. Erst die Erkenntnis, dass das Geschriebene zu gut war, um es der Öffentlichkeit vorzuenthalten, führte zur Bandgründung. Als Duo gestartet, lag die Welt zwanglos vor ihnen: Keine Verpflichtung, das Geschriebene live umsetzen zu müssen oder einen Gitarristen, der noch unbedingt ein Solo unterbringen will.

"Now, Not Yet" ist ein Popalbum, gespickt mit so vielen Ideen und Besonderheiten, dass es die Grenzen des Genres sprengt. Exemplarisch dafür steht der Opener "ok ok?": Dem zweisekündigen Rockintro folgen Lethargie und die sanfte, zerbrechliche Stimme Josh Taylors. Mal nackt und ehrlich, mal mit Hall- und Chorfahnen belegt. Der Beat wiederum besteht aus unzähligen Einzelsounds, die schwer zu greifen sind. Hier ein Haucher, da ein einmaliger Snare-Schlag und plötzlich wieder die E-Gitarre.

Die kreative Ausgestaltung der Songs ist der Überbau dieser Platte und sorgt dafür, dass Half Alive ein eingängiges Popalbum schufen, bei dem kein Song dem anderen gleicht. Da wären die heftigen Drums in "RUNAWAY", der überprägnante Bass in "TrusT", der süße Gesang in "arrow", die unerwartete zweite Stimme in "Pure Gold" und die epischen Synthies im House-Style in "ice cold.".

So kommt es vor, dass sie sowohl brutal nach Two Door Cinema Club ("arrow") als auch Bon Iver ("BREAKFAST") klingen können. Der Hit "still feel.", der das Trio überhaupt erst auf die ganz großen Bühnen der Welt hievte ist wiederum ein eingängiger Radiosong mit starken Parallelen zu Alex Clares "Too Close". Ein Lied, wie es wohl jede erfolgreiche Platte braucht.

"Now, Not Yet" ist durch die vielen Spielchen ein unfreiwilliges Pop-Meisterwerk und geht trotz der zahlreichen Soundfinten, Beatwechsel und des Samplewahnsinns runter wie Öl.

Trackliste

  1. 1. ok ok?
  2. 2. RUNAWAY
  3. 3. Maybe
  4. 4. the notion
  5. 5. still feel.
  6. 6. TrusT
  7. 7. arrow
  8. 8. Pure Gold
  9. 9. ice cold.
  10. 10. Rest
  11. 11. BREAKFAST
  12. 12. creature

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