laut.de-Kritik

So muss urbane Musik klingen: laut, dreckig-verschwitzt und tanzbar.

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Das Cover ziert eine dieser Überwachungskameras. In Großbritannien mittlerweile völlig normal und spätestens seit den Anschlägen von London auch als Segen anerkannt, wirken die Teile hier in Deutschland doch immer noch ein wenig befremdlich. Überwachungsstaat und so. Im Vereinigten Königreich steht an öffentlichen Plätzen dann immer der Hinweis: This area is under CCTV surveillance. CCTV steht dabei für Closed Circuit Television, keineswegs für das chinesische Staatsfernsehen China Central Television gleichen Kürzels.

Stars der Überwachungskameras also. Da macht es Sinn, mit einem Song über leere Bankkonten zu beginnen. Und ein genialer Finanz-Schachzug ebenso: das nächste Mal, wenn du knietief im Dispo stehst, sing einfach drüber! Hard-Fi tun das allerdings so gefällig, dass es schwer fallen dürfte, solch einen Groove mit leeren Taschen zu imitieren. Mit "Middle Eastern Holiday" dreht die britische Sound-Sensation den Geschwindigkeitsregler dezent hoch, so muss urbane Musik klingen, laut, dreckig-verschwitzt und tanzbar. Nix "Holiday In Cambodia", der Nahe Osten tuts doch auch. Vor allem, wenn es so coole Reggae-Breaks zu hören gibt wie hier.

Und Hard-Fi überraschen auch in der Folge. Ein wahres Sound-Chamäleon verbirgt sich hinter dem kultverdächtig simplen, gelben Cover. Der Groove ist das solide Grundrezept, mit dem die vier aus Staines (genau das Viertel, aus dem der Komiker Ali G, übrigens auch bevorzugt in schreiendem Gelb gekleidet, kommt) ihren Songteig anrühren, aus dem die "Stars Of CCTV" gebacken ist. Und dann sind es die kleinen Zutaten, die die einzelnen Songs so verfeinern, wie die Background-Chöre bei "Tied Up Too Tight" oder der treibende Rhythmus und die Handclaps bei "Gotta Reason".

"Baby, let's generate some heat!" fordert Fronter Richard Archer, und irgendwie muss man bei Hard-Fi immer ein bisschen an eine Block Party in Londons Straßen denken, bei der unfreiwillig jeder zum eigenen Star of CCTV wird. Der Ober-Block-Party-Rocker ist dabei die wunderbar, ja fast schon schrecklich eingängige Clubnummer "Hard To Beat", die mit ihren French-housigen Samples selbst Barklammerer wie mich zum Gliederschwingen verführt. Ebenso ansteckend das großartige "Living For The Weekend". Verdammt, ich will jemanden zum Tanzen! Dagegen plätschert das zurückgenommene "Unnecessary Trouble" fast ein wenig lahm dahin, doch auch hier wieder die geheimen Zutaten: Bläser!

Lediglich die etwas in die Länge gezogene Ballade "Move On Now" wirkt etwas deplaziert auf diesem Energiebündel von Album, dabei ist sie nicht einmal schlecht. Hard-Fi können halt auch anders, und für einen Feuerzeugmoment reicht es auf einem Konzert allemal. Nachdem sie mit besagtem "Living For The Weekend" den Hörer noch mal tief in den Allerwertesten getreten haben, entlassen sie uns mit der großen Halbakustiktitelnummer. Boah, unplugged haben sie drauf. Hype? Sicher, aber größtenteils zurecht. Dieses Album kann Wochenenden retten. Mindestens.

Trackliste

  1. 1. Cash Machine
  2. 2. Middle Eastern Holiday
  3. 3. Tied Up Too Tight
  4. 4. Gotta Reason
  5. 5. Hard To Beat
  6. 6. Unnecessary Trouble
  7. 7. Move On Now
  8. 8. Better Do Better
  9. 9. Feltham Is Singing Out
  10. 10. Living For The Weekend
  11. 11. Stars Of CCTV

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