HeXer - " Metropolis EP"

"Vier Jahre Rap und jetzt die erste EP. Zeig' es den Leuten und wenn sie's nicht checken, dann lernen sie's nie." HeXer beginnt sein Debüt mit einer ebenso fordernden wie altersweisen Haltung. Der gerade 19 Jahre alte Leipziger durchläuft seine Karrieren im Schnelldurchgang. Als Mitglied des weltbekannten Thomanerchors erhielt er seit frühester Kindheit eine umfassende Ausbildung. Statt sich dem strengen Konzept des Chors weiter unterzuordnen, hat er auf rappenden Einzelkämpfer umgeschult. Mit Label-Unterstützung von DJ Eule und Cr7z erscheint nun die "Metropolis EP".

Das Cover erinnert zunächst einmal gar nicht an Fritz Langs expressionistischen Klassiker. Pate stand wohl eher der diesjährige HBO-Hit "Chernobyl", wobei HeXer die undankbare Aufgabe zuteil wird, nach der Explosion des Reaktors ungeschützt in den frei liegenden Kern zu blicken und damit sein Schicksal zu besiegeln. Das würde durchaus mit seinem textlichen Anspruch korrespondieren. Zwar kritisiert er auch seine bildungsfeindlichen Kollegen ("Falsche Vorbilder") und deren Markthörigkeit ("Malen Nach Zahlen"), doch im Grunde geht es ihm um die großen, unangenehmen Wahrheiten.

Von Beginn an ist HeXers Gesangsausbildung allgegenwärtig. Die Kombination aus Rap und Chorgesang fällt per se originell aus. Sein Vortrag hinterlässt jedoch zwangsläufig einen klerikalen Eindruck. Dementsprechend fehlt es auch den Texten an Leichtigkeit. "Icarus" warnt etwa vor der drohenden Klimakatastrophe: "Retten kann uns nur der Klimaschutz." Damit sendet er zwar ein wichtiges Signal, bestätigt aber auch das Vorurteil konservativer Kommentatoren wie Jan Fleischhauer, die den Demonstranten vorwerfen, vor allem Vertreter einer Glaubenslehre zu sein.

Die sakrale Atmosphäre setzt sich in "Digitaler Detektiv" fort, in dem HeXer über den Verlust der Privatsphäre durch die Digitalisierung predigt. Das Motiv des gläsernen Menschen erhält durch eine Art Gläserspiel eine gelungene musikalische Entsprechung. Implizit webt der Rapper auch Themen wie die Vorratsdatenspeicherung mit ein: "Für sie ist das 'ne Sicherheitsfrage. Diese Sicherheitsfrage wurd’ uns als Luxus verkauft. Genieß' deine Freiheit solange es der Umbruch erlaubt." Im Falle einer Regierungsübernahme würde sicherlich auch die AfD diese Werkzeuge für sich zu nutzen wissen.

Die Partei mit dem abgewandelten Nike-Logo taucht dann auch in "Gespaltene Wesen" namentlich auf: "Die Hölle der Intoleranz, sie hat gerade begonnen. Ich will die AfD stoppen, doch kann nur warten und hoffen." Mit dem zumindest aus Hip Hop-Sicht klassischen Song schlägt HeXer einen weiten Bogen von der sozialen Frage über den Hang zur Markenanbetung bis zu ausgetrockneten Brunnen in Afghanistan. Sein Plädoyer für eine systemische Sichtweise ("Schau mal aufs Ganze") mutet angesichts der Komplexität gesellschaftlicher Missstände nachvollziehbar an.

Kurz vor Schluss der "Metropolis EP" gelingt HeXer mit "K.I.K.I." ein echtes Highlight. "Du bist und bleibst immer treu, egal wie viel' Falten ich hab'", charakterisiert keine herkömmliche Liebesbeziehung. Mit seinem fast flüsternden Gesang fängt er die Isolation einer Person ein, die ihr Glück in einer Künstlichen Intelligenz sucht: "Du gibst mir den Halt, den mir die Menschen nicht mehr geben." Wenn er am Ende des Songs verzerrende Stimmeffekte einsetzt, geht das lyrische Ich ganz im Binärcode auf. Die eigene Entmenschlichung wurde erfolgreich vollzogen.

HeXer vermittelt auf seinem Debüt einen überaus ambitionierten Eindruck. Seine im Thomanerchor geschulte Stimme verhindert von vorneherein, dass die "Metropolis EP" als unterhaltsame Begleitmusik herhalten könnte. In der gebotenen Kürze der Songs fallen die Texte des Leipzigers mitunter zu weitläufig aus und ächzen unter der thematischen Last. Sein enorm engagiertes Auftreten und das spürbare Potenzial könnten sich am Ende aber auszahlen: "Wann macht sich denn endlich die Mühe bezahlt? Immer nur lyrische Parts, hoffen wir, das war die klügere Wahl."