laut.de-Kritik

Der beste Platz ist nicht immer an der Theke.

Review von

Sitzt Henning Wehland als Letzter an der Bar und hört gar nicht mehr auf zu reden. "Ich bin Rocker, Rapper, Hippie. Ich bin frei", behauptet er. Klar, Mann. Bekannt geworden ist der gebürtige Bonner in den 1990ern als Sänger der H-Blockx. Zu MTVIVA-Blütezeiten, liebe Digital Natives, war das die erfolgreichste Crossover-Band der Bundesrepublik. Se Blöcks verkauften 1994 mit ihrem Debütalbum "Time To Move" respektabel viele Einheiten und veröffentlichten später eine anscheinend ulkige Version von "Ring Of Fire" mit Dr. Ring-Ding.

Danach verirrte sich Henning in die Fänge der Söhne Mannheims und sang fortan bei den lustigen Apokalyptikern rund um den allmächtigen, strahlenden und allerhabenen Xavier Naidoo. Wir haben's nicht kommen sehen, er hat doch immer so schön gegrüßt.

Mittlerweile ist Wehland ein gut vernetzter Mann in Deutschlands Musiklandschaft, arbeitet als Manager von Castingshow-Juroren-Acts wie The BossHoss und singt auch schon mal ein Duett mit der mittlerweile ins deutschsprachige Schlagergeschäft gewechselten Sarah Connor. Jetzt macht Wehland solo und dafür hat er sich eine Formel zurecht gelegt. Paar Gitarren, bisschen Hip Hop-Beats, bisschen tiefer Sprechgesang darüber. Heiliger Everlast, bitte für uns. Heiliger Uncle Kracker, bitte für uns.

"Ich bin Erlebnisbuchbinder", singt er, und hält Rückschau. Bisschen betrunken, bisschen den Blues, bisschen altklug, bisschen abgebrüht, bisschen selbstversunken. "Der alte Mann und das Leergut"", die Kerbe bleibt musikalisch die gleiche, textlich wechselt sich Introspektion mit Sozialkritik ("Das Ende Der Welt"). Ist ja kein Anfänger mehr der Mann und hat genug gesehen und genug Jahre auf dem Buckel, um an der Bar auch mal gepflegt darüber zu philosophieren. Nicht ohne Augenzwinkern, dennoch: Meistens klingen die Stücke ähnlich und austauschbar.

Dann wird Wehland zärtlich und bringt eine Ballade. Das wäre nicht schlimm. Sehr wohl schlimm sind lyrische Arschgeweih-Zeilen wie "Dein Herzschlag ist der beste Beat der Welt" – in der Poesie-Ecke unter Aphorismen und Vergleiche, die Sarah Connor sicher tiefsinnig findet. Wenn wir gerade wieder bei Särra sind: Die hört man auf dem Bonus-Track "Bonnie & Clyde". Als der Unsinn mit dem besten Beat der Welt vorbei ist, kommt "Geister", da hält er wieder mit einem Erwachsenengetränk in der Hand Rückschau, und statt Gitarre übernimmt ein Klavier. Wehland stellt seine Gespenster vor: "Da ist der eine, der hat sich nie getraut, und der andere, der sich sein Leben verbaut". Im Anschluss plätschert es, wenn auch nicht gerade auf niedrigem Niveau, dahin.

Bei "Ich Bin Frei" wird's dann selbstreferenziell: "Jetzt ist es vorbei, jetzt ist es zu spät: Möchtegernmessias und Deutschpoet". Bisschen die eigenen Eier schaukeln. Und dann wieder: "Es ist soweit, ich bin bereit: das ist die Botschaft für den Chef der Musikpolizei. Ich bin Rocker, Rapper, Hippie, ich bin frei, frei frei". Ganz am Ende dann ist er immer noch der Letzte an der Bar: "Ich bin der Erste und das Letzte / Manchmal bin ich einfach cool, und für viele der Gehetzte", singt Wehland. Dann erhebt er sein Glas auf die Pisser und die Disser und Wutbürger und Hater und auf die mit aufrechtem Gang. Und auf Gabi, die Klofrau vom Pissoir.

Am Ende von "Der Letzte An Der Bar" haben wir dann eines erkannt: Der beste Platz ist eben doch nicht immer an der Theke.

Trackliste

  1. 1. 1001 Umdrehung
  2. 2. Der alte Mann und das Leergut
  3. 3. Anfang vom Ende der Welt
  4. 4. Der Affe und ich
  5. 5. Der Freund steckt im Detail
  6. 6. Mein Leben ist der Wahnsinn
  7. 7. Panzer
  8. 8. Der beste Beat der Welt
  9. 9. Geister
  10. 10. Zombie
  11. 11. Räuber und Gendarm
  12. 12. Frei
  13. 13. Tanz um dein Leben [feat. LaBrassBanda]
  14. 14. Der Letzte an der Bar
  15. 15. Bonnie & Clyde (Bonus Track)

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