laut.de-Kritik
Elektro-Soul, so rein wie das Wasser im Trevi-Brunnen zu Rom.
Review von Michael Schuh2016 war das Jahr für Her. Zwar erschien ihre Debüt-EP "Her Tape #1" bereits im Vorjahr auf dem Indie-Label ZRP, doch erst nach der groß angelegten Werbe-Kampagne für ein Mobiltelefon mit einem Apfel drauf, den ihr Killertrack "5 Minutes" unterlegt, googelt plötzlich jeder nach dem Interpreten. Was sich beim Namen Her mitunter als schwierig erweist.
Victor Solf und Simon Carpentier kümmert es wenig. Die Duftmarke ist gesetzt und dürfte noch lange anhalten. Dies belegt auch der Nachfolger, der erneut unter der üblichen Langspielplattenlänge bleibt. "Tape #2" macht genau da weiter, wo die erste EP endete:
Samtiger Lounge-Pop und erotisch knisternder Dandy-Soul fließen aus den Speakern, als ließe man sich im Trevi-Brunnen zu Rom neben Anita Ekberg nieder und von nitratfreien Wassertropfen besprenkeln. Vielleicht hatten Phoenix ähnliche Gedanken, als sie sich im Booklet ihres erschreckend schwachen Albums "Ti Amo" neben die 60s-Ikone in den Brunnen photoshoppten.
Die Musik von Her erfindet das musikalische Rad zwar auch nicht neu, verheddert sich aber nicht in Zitaten, um am Ende irrlichternd das Songwriting zu übersehen. Dem Albumformat muss niemand hinterherweinen, so lange sich Künstler einfach auf vier starke Songs konzentrieren, wie im vorliegenden Fall. Füllmaterial gibt es schließlich anderswo genug.
"Blossom Roses" lässt die Vorliebe für alte Soulstars wie Al Green durchblitzen und webt diesen Einfluss geschickt ins eigene Elektro-Pattern. "Queens" funkt furios wie einst Jungle und "Jeanie J" erinnert in seiner Leichtfüßigkeit an die Minimalismus-Meister The xx und James Blake.
Dazwischen platzieren Her wie gewohnt Piano-Interludes: Nach dem "Hohelied auf die Liebe" in "Tape #1" aus dem Korintherbrief zitieren sie nun Peter Handkes "Lied vom Kindsein" aus "Der Himmel über Berlin" ("Intro", "Interlude"). Das Juwel kommt jedoch zum Schluss: "Swim", ein atmosphärisches Glanzstück, verpackt den Falsettogesang, die verführerischen Stakkato-Gitarren, die Saxofonsoli und den Dance-Vibe von Her in radiotaugliche 3:30 Minuten.
5 Minutes? Dieser Hype wird länger andauern. Mit "Her Live Tape #2" ist gerade auch ein Mitschnitt aus Paris erschienen, der die Live-Qualitäten des Duos erahnen lässt.
2 Kommentare mit 3 Antworten
Nicht zu verwechseln mit H.E.R. Die gibt es nämlich auch. Hatte mich schon gefreut....
Liebe = Titten
Titten sind faszinierend.
Ich kann ja schon verstehen, wie mensch davon fasziniert sein kann, aber dass die deshalb überall draufgeklatscht werden, nervt schon.
"Möchte selbst entscheiden wann ich mein Genital bemühe"
Olaf Schubert