laut.de-Kritik
Düstere Parabeln für die YOLO-Generation.
Review von Sebastian HüfingEigentlich ist es eine Unverschämtheit, was Hiob und Morlockk Dilemma hier abliefern. Ganze fünf Jahre ließen die beiden ihre Fans zappeln, ehe sie endlich den heiß ersehnten Nachfolger ihres Kollabo-Meilensteins "Apokalypse Jetzt" veröffentlichen. Das Warten allerdings, so viel vorweg, hat sich gelohnt.
Schon der erste Track der 19 Lieder starken, in Anlehnung an den Vorgänger "Kapitalismus Jetzt" betitelten Platte zeigt ziemlich genau, was auf den Hörer zukommt. Ein beinahe einminütiges Filmsample leitet "Schöne Neue Welt" ein. Der düstere Beat, der sich daraus nahtlos entwickelt, fängt die Soundästhetik eben solcher Sci-Fi-Schinken exakt ein. Dazu passen Lyrics und Titel des Einstiegs, die auf Aldous Huxleys Kultroman "Brave New World" verweisen. Kurz gesagt: Hiob und Morlockk Dilemma servieren alles andere als leicht verdauliche Rap-Kost.
Dieses dystopische und misanthropische Weltbild zieht sich wie ein roter Faden durchs Album, garniert mit aktueller Gesellschaftskritik: "Die Angstfinanz saugt Schwanz, so wahr die Welt sich dreht / Ich rauche Scheine bis zum Kollaps dieses Geldsystems", tönt es beispielsweise als ironisch-beißender Kommentar im stimmigen Titeltrack, der den im Zuge der Finanzkrise unbeliebt gewordenen Raubtierkapitalismus und seine Protagonisten aufs Korn nimmt.
In eine ähnliche Kerbe schlägt das weniger wütende, dafür melancholischere "Eskapaden", das die andere, nicht so blank polierte Seite der Medaille der kapitalistischen Zweiklassengesellschaft zeigt. "Sonntags früh dann kollabieren mit Magenkrämpfen, carpe diem / Einmal nur auf Wolke sieben schweben und dann Harakiri": Solche Zeilen malen ein beunruhigend pessimistisches Bild der Generation YOLO.
Auch die zahlreichen Storyteller auf "Kapitalismus Jetzt" strotzen nur so vor düsteren Parabeln. So erzählt Hiob auf "Fenster Zur Welt" die Geschichte eines Krankenhauspatienten, der seinen Zimmernachbarn um seinen begehrten Fensterplatz beneidet, nur um letztendlich deprimiert festzustellen, dass "vor seinem Fenster zur Welt [...] nur Teer und Beton" liegen.
Die typischen Battle-Tracks der beiden heben sich dagegen stärker von der finsteren Atmosphäre ab und bleiben textlich gesehen relativ traditionell. Trotzdem langweilen Songs wie "Kettenbrief" oder "Weltenbrand" nie und demonstrieren Hiobs und Morlockks Skills eindrucksvoll. "Du wurdest grauhaarig von Ausgaben beim Schmuckdesigner / Gehst pumpen und machst dich für Frau'n stark so wie Pussy Riot": Die beiden gehören immer noch zur Rap-technischen Elite hierzulande.
Obwohl die Geschichten und vor allem die unterhaltsamen Battle-Raps ein bisschen Abwechslung ins graue Einerlei von "Kapitalismus Jetzt" bringen, orientieren sie sich soundtechnisch trotzdem am Rest des Albums. So wirkt es zwar wie aus einem Guss, bietet über die volle Distanz aber etwas zu wenig Abwechslung, um als das von vielen erwartete Meisterwerk durchzugehen.
1 Kommentar
Erst jetzt die Review? ... und dann beschwert sich Herr Hüfing über die 5 Jahre seit dem letzten Album