laut.de-Kritik

Vom Pop-Warrior zum Discofox-Zombie.

Review von

Keine Frage: Holly Johnson ist zu recht eine Legende der Popkultur und hat mit Frankie Goes To Hollywood vieles bewegt, was verdient im kollektiven Gedächtnis hängen geblieben ist. Solo sieht das Bild leider recht mau aus. Schon sein immerhin leidlich erfolgreiches Album "Blast" langweilte vor einem Vierteljahrhundert mit lahmen Schnarchtracks à la "Americanos" oder "Love Train".

Die nachfolgenden Scheiben gingen zu Recht komplett unter. 15 Jahre nach dem letzten Lebenszeichen ruft Johnson mit "Europa" nun das große Comeback aus. Die Überraschung gelingt auf ganzer Linie: Die Scheibe ist tatsächlich noch schlechter als sein bisheriger Output. Statt "Rage Hard" gibt es für den Hörer nur noch das große "Fuck off".

Dabei möchte man so gern mögen, was der sympathische Ex-Punk anbietet. Keine Chance. Holly schiebt sein Publikum mit lieblosen Allerweltsliedern vom Regen in die Poptraufe und verkommt vom ehemals knackigen "Warrior Of The Wasteland" zum tattrigen Discofox-Zombie. Zuletzt trat der ehemalige Superstar auf dem Stadtfest in Potsdam auf. Genau so provinziell klingt die Musik leider auch.

Während man die hingeleierte Belanglosigkeit der Platte erträgt, sollte man sich vor Augen halten, dass Johnson seinerzeit FGTH vor allem deshalb verließ, weil ihm die musikalische Ausrichtung nicht behagte. Gemessen an diesem Maßstab scheitert er auf ganze Linie. Abgestandener Midtempo-Krempel ohne eine einzige zündende Melodie, der schon beim Opener "Follow Your Heart" mangels eigener Ideen auf 30 Jahre alte Trademarks der Mutterband zurück greift, ohne je den Charme und Wumms der Originale zu erreichen. Selbst in seinen uninspirierten Momenten à la T.A.T.U. hatte Frankie-Mastermind Trevor Horn noch mehr zu bieten als dieser Song.

Und das war erst der Anfang. Es geht im Verlauf von elf Liedern noch wesentlich langweiliger. "In And Out Of Love" spült sich mit lahmarschiger Allerweltsmelodie gleich selbst in die Kanalisation poppiger Totgeburten. Das fies käsige "Heaven's Eyes" bildet mit seinem schimmelpilzigen Rock-Imitat locker das Schlusslicht in jeder Supermarktgrabbelkiste. Unglaublich, mit welch sadistischer Konsequenz Holly Johnson alles an Energie und Inspiration ignoriert, wofür man ihn in den 80ern liebte. Spätestens beim gruselig vor sich hin delirierenden Ping-Pong-Pop "Dancing With No Fear" möchte man ihn rütteln, schütteln und fragen, warum er klingt wie ein drittklassiger Limahl-Aufguss.

Dabei ist die Horrorscheibe noch nicht mal halb rum. Eine Besserung stellt sich leider nicht mehr ein. Während andere Synthiepop-Pioniere wie etwa Gary Numan im Alter von Scheibe zu Scheibe besser werden, taugt ein Reißbrett-Verbrechen wie "Glorious" nicht mal mehr zum Rausschmeißer öligst denkbarer Kuschelpopsampler.

Naiv zu glauben, es ginge nicht noch schlimmer. Mit den beiden Abschlusstracks wandert Johnsons musikalische Vorstellung endgültig von audiophil gen musikalisch-debil. Wer sich noch an die Weltklasseballade "The Power Of Love" erinnert, braucht sich nicht dafür zu schämen, angesichts von Nullnummern wie "You're in My Dreams Tonight" oder "The Sun Will Shine Again" schluchzend das Zimmer zu verlassen. Das einzig Herzhafte an dieser Platte sind die Tränen des Hörers.

Trackliste

  1. 1. Follow Your Heart
  2. 2. In And Out Of Love
  3. 3. Heaven's Eyes
  4. 4. So Much It Hurts
  5. 5. Dancing With No Fear
  6. 6. Europa
  7. 7. Glorious
  8. 8. Hold On Tight
  9. 9. onesome Town
  10. 10. You're In My Dreams Tonight
  11. 11. The Sun Will Shine Again

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1 Kommentar

  • Vor 10 Jahren

    "Dabei ist die Horrorscheibe noch nicht mal halb rum."

    Skip, Skip, Skip geht schneller. Jedenfalls tat ich das am ich glaube Samstagabend gegen 21:00 mit dem Album nach ca. 30 Sec. des ersten Tracks. So dauerte der Horror dann auch nur 2-3 min. Wo Hol(l)y drauf steht, ist ab sofort Horror drin. ;)

    Gruß Speedi