2. Februar 2018
"Beim Joggen hört man Techno"
Interview geführt von Markus BrandstetterZu sagen, das neue Album von Hookworms sei eine schwere Geburt gewesen, wäre eine Untertreibung. Ursprünglich wollte die Band an einer EP arbeiten – 2015 machte ihnen ein Sturm einen gehörigen Strich durch die Rechnung.
Heute erscheint das dritte Hookworms-Studioalbum "Microshift". Dass es überhaupt vor uns liegt, ist ein kleines Wunder, denn das Studio von Sänger Matthew "MJ" Johnson wurde 2015 vom Sturm Eva zerstört. Der Schaden ging in die hunderttausende – Pfund wohlgemerkt. Eine "GoFundMe"-Kampagne ermöglichte den Wiederaufbau des Studios. Die Band nahm die Arbeit wieder auf. Das Ergebnis, der neue Longplayer "Microshift" klingt anders als die ersten beiden Alben, elektronischer. Textlich geht es wieder einmal ans Eingemachte: Tod, Krankheit, Depressionen – das steht im scheinbaren Kontrast zur oft fast schon poppig-eingängigen Musik der Band. Wir sprachen mit Bassist Matt Benn ("MB") über die letzten zwei Jahre.
Euer Album hat ja eine ziemlich bewegte Entstehungsgeschichte. Das Studio eures Sängers wurde 2015 durch eine Flut quasi völlig zerstört. Was für einen Einfluss hatte das auf die Band?
Nun, am schlimmsten war das natürlich für Matt, dem das Studio ja gehört. Wir hatten sieben Monate lang kein Studio. Das bedeutete, dass wir als Band nicht viel machen konnten in dieser Zeit. Wir haben allerdings schon davor begonnen, am Album zu schreiben. Das war Mitte 2015. Wir dachten ursprünglich daran, eine EP statt ein Album zu machen – wir waren circa auf halber Strecke, als das mit der Flut passierte. Als wir das Studio wieder eröffneten, war dann klar, dass wir ein ganzes Album machen.
Von den Songs der EP habt ihr aber nur ganz wenig verwendet, wenn ich das richtig verstanden habe?
Der zweite Tack auf dem Album stammt von der EP. Wir haben ein paar Teile der EP genommen, aber das meiste haben wir weggeworfen. Ein paar Fragmente, Drummachines und dergleichen sind drauf, was wir vor der Flut aufgenommen hatten.
Ihr habt das Studio zum Teil mit finanzieller Unterstützung einer "GoFundIt"-Kampagne neu aufgebaut. Wart ihr da von Anfang an zuversichtlich, dass das klappen wird?
Ja, definitiv. Matt konnte das Studio nicht auf so etwas wie eine Flut versichern, weil es so nah beim Fluss gebaut ist. Das ging mit der Versicherung irgendwie nicht. Wir wussten also, dass wir nichts bezahlt bekommen. Deswegen haben wir das Crowdfunding ins Leben gerufen. Wir konnten natürlich nicht ahnen, wie viele Leute sich daran beteiligen würden. Es hat hunderttausende Pfund gekostet, das Studio zu errichten, die Böden, die Akustik, die Elektrik - wir mussten ja das ganze Studio erst mal trocken legen. Die Elektrik wieder herzustellen hat allein sechs Monate gedauert.
Wie verliefen die Aufnahmen?
Ganz anders als bei den letzten Alben. Sonst haben wir uns immer im Proberaum getroffen, die Songs geübt und alles entstand recht schnell und spontan. Deswegen kam das zweite Album nur ein Jahr nach dem ersten raus. Dieses Mal haben wir das Studio mehr als Instrument genutzt, haben viel mit elektronischen Instrumenten geschrieben. Das war eigentlich das Hauptding: Synthesizer, Drummachines, Sampler. Wir haben kleine Loops gebastelt, Rhythmen, viele Overdubs. So sind die Songs entstanden, also nicht als Live-Band.
"Beim Joggen hört man Techno"
War euch das schon vor den Aufnahmen klar, dass ihr euch dieses mal eher elektronisch orientiert, oder kam das während der Arbeit eher nach und nach?
Das hat auch damit zu tun, dass so viel Zeit seit dem letzten Album verstrichen ist – fast drei Jahre. Wir haben uns so viele Synthesizer gekauft, es wäre dumm gewesen, sie nicht zu verwenden. Es war ganz natürlich, weniger eine bewusste Entscheidung. Ich schätze, was wir schon wussten war, dass wir dieses Mal etwas anderes machen wollten als bei den ersten beiden Alben. Es brauchte eine Weile, bis das allen klar wurde. Und dass wir neue Instrumente hatten, mit denen wir rumspielten konnten, half dabei natürlich.
Lass uns doch über das Equipment sprechen, welche Synthesizer habt ihr denn benutzt?
Für viele Songs benutzten wir ein Eurorack Modular System. Viel wirres Zeug ist damit entstanden. Ein Synth, den wir oft benutzt haben, ist der Roland SH-101. Das war einer meiner ersten Synths. Für die Akkorde kam statt einer Orgel ein Roland Juno-6 zum Einsatz. Auch einen Korg MS-20 haben wir eingesetzt. Solche Dinge eben. Ein paar Drum Machines, einen Moog – viele verschiedene Dinge. Wir haben herum experimentiert, das Gute behalten und das Schlechte runtergenommen.
Wie wirkt sich das aufs Live-Setup aus?
Ich habe jetzt viel mehr Equipment, um das ich mich kümmern muss. Sonst ändert sich gar nicht so viel, aber ich habe jetzt Synthesizer und einen Sequencer dabei. Ein paar neue Pedale, ein paar neue Gitarreneffekte – das war's eigentlich schon.
Hattet ihr bei dieser Platte spezielle musikalische Einflüsse?
Wir haben uns darüber eigentlich nie wirklich unterhalten. Klar, jeder von uns hört viel verschiedene Musik. Wir waren oft joggen, das wurde zu einem Hobby für uns – und beim Rennen hört man viel Uptempo-Musik, Techno, Electro, so Zeug. Deswegen war pumpende elektronische Musik wohl sehr präsent. Als wir die Platte gemischt haben, hatten wir aber andere Referenzen im Kopf, Brian Eno, Talking Heads oder Animal Collective. Aber ich würde mal sagen Techno war der Haupteinfluss. Und als wir diese elektronischen Elemente integrierten, untersuchten wir natürlich Bands, die das schon vor uns mit Erfolg gemacht hatten: New Order, Hot Chip, eben Bands, wo das auch nahtlos übergeht.
"Wir reden nie über Rockmusik"
Lyrisch ist das Album sehr schwer: Tod, Katastrophen, Elend.
Es waren eben ein paar sehr harte Jahre für uns. Vor allem für Matt, der die Texte ja geschrieben hat. Seinem Vater ging es nicht gut die letzten Jahre, er leidet an Alzheimer. Das wird ein Stück thematisiert. Ein guter Freund ist letztes Jahr gestorben, ein Stück handelt von ihm. Matt hatte außerdem die Trennung einer langjährigen Beziehung zu verkraften, auch darüber gibt es einen Song. Ganz generell gesprochen, der Rest dreht sich um psychische Gesundheit, Angst, Maskulinität und darüber, dass Männer oft nicht ihre psychische Gesundheit sprechen. Ich denke, er hat das Thema mentale Gesundheit und Depressionen auf den letzten Alben eher in einem breiteren Kontext behandelt. Dieses Mal wollte er individuelle Elemente in den Songs untersuchen.
Ganz wichtig auch: Dieses Mal sind seine Vocals viel klarer, viel weniger Effekte. Leute werden sich mit dem Album auf einem emotionalen Level verbunden fühlen – was früher vielleicht nicht immer so war.
Die Musik ist ja gegensätzlich – catchy, oft richtig poppig. Wart ihr Euch des vermeintlichen Widerspruchs bewusst, dass die Musik viel leichtfüßiger als die Themen geraten ist?
Wir wollten einfach mehr Upbeat bei dieser Platte. Es ist schwer, einen Upbeat-Song zu machen, der depressiv ist. So klingt es einfach euphorischer. Wenn ich Teile am Synth schreibe, dann gerne in einer Dur-Tonart, die erhebend und fröhlich ist. Wir haben das nicht bewusst entschieden, aber es hat gut gepasst: die dunklen Lyrics und die helle Musik. Nicht nur die Vocals, sondern auch der Mix ist klarer: weniger Fuzz, weniger Reverb. Wir haben alles ein wenig aufgeräumt und auf Linie gebracht. Deswegen ging es eher in Richtung Pop. Wir alle lieben Popmusik. Wir reden selten über Rockmusik, entweder wir hören elektronische Musik oder wir hören Pop.
Am 5. Februar spielen Hookworms ein Konzert im Privatclub in Berlin.
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