laut.de-Kritik
Die Spinnweben gekonnt abgeschüttelt!
Review von Connor EndtGrampian Hallgerät, polyphone Synthesizer, modulare Synthese: wenn Hot Chip ein neues Album aufnehmen, muss das Studio wohl wie das Innere eines Star Trek-Cockpits aussehen. Immerhin vier Jahre ist es her, seit die Londoner mit "Why Make Sense?" ein Lebenszeichen von sich gaben.
Mit ihrem neuen Album scheint sich zunächst einmal nichts verändert zu haben, vom grauenhaften Cover Artwork (Batik-Shirt trifft Paint-Typographie) mal abgesehen. Immer noch dominieren breite Synthesizer-Melodien, pochende Beats und Alexis Taylors charakteristischer Falsett-Gesang. Und doch sind die Briten dieses Mal neue Wege gegangen: zum ersten Mal in der immerhin 19-jährigen Bandgeschichte haben Hot Chip ihr neues Album nicht komplett in Eigenregie zusammen gezimmert und haben sich prominente Hilfe geholt: Philippe Zdar (Cassius, Phoenix) und Rodaidh McDonald (The XX, David Byrne) waren ebenfalls bei Produktion und Songwriting beteiligt.
Dass da mehrere Leute hinter den Reglern saßen, merkt man "A Bath Full Of Ecstasy" an: die Songs wirken präziser und ausgefeilter als beim Vorgänger. Die E-Gitarre tritt weitgehend in den Hintergrund, dafür gibt es wieder Synthesizer zu hören. Sehr. Viele. Synthesizer!
"Have you left space for me, in this life?", haucht Taylor bei "Melody Of Love" ins Mikro und die Space-Synthesizer bilden die perfekte Untermalung. Der Song erinnert aufgrund seiner Machart an Placebo mit "Loud Like Love".
Auch bei den anderen acht Stücken des Albums setzen Hot Chip auf elektronische Tasteninstrumente und treibende Drum Beats. In "Spell" bekommt Taylors Gesang einen Vocoder-Effekt verpasst, bei "Bath Full Of Ecstasy" greifen sie zu Autotune. Dieser stört bei einer Formation wie Hot Chip aber keinesfalls, sondern passt gut in den nerdigen Gesamtsound.
"Echo" ist einer dieser Songs geworden, die sich absolut hartnäckig im Gehirn festsetzen. Das liegt zum einen an der cleveren Instrumentierung, indem Taylor die Melodie-Läufe mitsingt und zu einem Großteil auch daran, dass der Refrain ("Just an echo, nothing to regret though") bis zum Umfallen wiederholt wird. Auch die Vorab-Single "Hungry Child" reiht sich als groovender Club-House ein in die fast ausschließlich positive Tracklist.
Nachdenklichere Töne schlagen die Briten erst gegen Ende des Albums an. "Why does my mind fill all my time, why can't my mind keep things in line", wundert sich Taylor in "Why Does My Mind". Ein echtes Schlagzeug ersetzt die elektronischen Beats, die Synthesizer treten in den Hintergrund und überlassen die Bühne ganz dem Gesang.
In "Clear Blue Skies" erklingen Streicher, Joe Goddard übernimmt fast komplett den Gesang und verleiht dem Song eine wehmütige und grüblerische Note à la The National. Die allgegenwärtigen Synths feuern aus dem Off Ambient-Sounds ab. Das Ergebnis ist ein wunderschöner Song, der eindrücklich beweist, dass die Briten auch ganz wunderbar Melancholie verbreiten können.
"A Bath Full Of Ecstasy" fühlt sich am Ende so an, als wären Hot Chip nie wirklich weg gewesen. Die Produktion zu einem gewissen Grad auszulagern, erweist sich als cleverer Schachzug: klar ist das immer noch Hot Chip, aber die Spinnweben der vierjährigen Pause haben die Musiker ziemlich gekonnt abgeschüttelt.
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