laut.de-Kritik

Verspieltheit und Kreativität scheinen bei den Briten nie zu versiegen.

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In schöner Regelmäßigkeit hören wir Neues von Hot Chip. Seit ihrem Debüt bis zu "In Our Heads" erschien jedes Album im Zweijahresrhythmus. "Why Make Sense?" und "A Bath Full Of Ecstasy" benötigten jeweils eine größere Pause. Nun könnte man denken, dass Corona die Wartezeit sogar erhöhen würde, doch das Gegenteil passierte: Die Briten bezogen ein neues Studio und nahmen sich drei Jahre für ihren mittlerweile achten Longplayer. Und auch "Freakout/Release" liefert wieder die gewohnte Kreativität und Verspieltheit.

Der Titeltrack in Kooperation mit Soulwax steht dafür Pate, er ist ein stampfendes Ungetüm mit verzerrten Gitarren, dissonanten Melodien und markantem Refrain. Plötzlich betritt eine elysische Bridge die Bühne und schafft Raum für zackigen Brit-Electro, der das Ende einläutet. Alexis Taylor besingt den Wertverlust von Musik: "Music used to be escape / Now I can't escape it / I feel trapped in the world". Der Opener "Down" überrascht mit dem 70s Funk-Sample "More Than Enough" der Universal Togetherness Band, bis der Disco-Beat es ablöst und mit 90s-House und New Wave anreichert.

Apropos Funk: "Hard To Be Funky" suggeriert bereits, worum es musikalisch geht, wenngleich wir es hier mit einem eher gediegenen Großstadt-Cocktailbar-Funk zu tun haben, der im Chorus durch eine E-Gitarre ein wenig Fahrt aufnimmt. Das erinnert stark an Jamiroquai zu ihrer "Synkronized"-Zeit. Gastsängerin Lou Hayter mimt den harten Gegenpol zu Taylors zurückhaltenden Strophen.

Das zweite offizielle Feature hört man im gesellschaftskritischen "The Evil That Men Do". Rapper Cadence Weapon moniert die vielen Missstände auf der Welt und klingt dabei wie Curse auf Englisch. Der Song, in dem auch ein Chor zu Wort kommt, serviert ein gelungenes Potpourri aus Hip Hop, Gospel, Psych-Rock und Indie-Pop.

Die zwei großen Highlights spielen hingegen die lieblichen Töne. Der Sympathiebolzen "Eleanor" hört sich an wie der extrovertierte Typ, der seinen introvertierten besten Freund dazu überredet, auch mal auf die Tanzfläche zu gehen und zu viben. Süßlicher Elektro-Pop von seiner charmantesten Seite: Uptempo-Beat, helle Synthies, entzückendes Keyboard-Interlude. Als hätten Hot Chocolate und Fleetwood Mac gemeinsame Sache gemacht.

Noch eine Stufe bezaubernder gerät "Not Alone", eine ergreifend-verträumte Elektro-Ballade. Sanftmütige Synths, mäandernde Motive, weiche Beats und geloopte Vocals erzeugen das perfekte Umfeld, um die wehmütigen Lyrics in voller Pracht strahlen zu lassen: "Now we sit and share the smaller floor / Holding court instead of holding chords / We raise our glasses in remembrance / When only yesterday we took our chance / How can I help you to complete your song / If all I do is get the meaning wrong?". Taylors schmachtender Gesang dazu ist einfach wundervoll!

Der Rest von "Freakout/Release" läuft gefällig ins Ohr, ohne groß anzuecken. "Broken" bleibt in seiner Niedlichkeit verhaftet, der Ambient-House "Time" schielt in Richtung Bob Moses und Pet Shop Boys, und "Guilty" versucht sich als dreckiger Synth-Pop. Einzige Ausnahme bildet "Miss The Bliss", das so gar nicht funktioniert. Viel zu zäh, repetitiv und schlecht eingesetzter Autotune sorgen für ein heterogenes Erlebnis.

Das klanglich versöhnliche, doch lyrisch sehr dunkle "Out Of My Depth" beschließt das Album der fünf Londoner mit breiten, leicht gecrunchten Synthies, Streichern und einer sich sukzessive steigernden Klangmauer. Subtile Melancholie durchflutet den Körper und die Gewissheit setzt ein, dass Hot Chip nach wie vor ihr Handwerk verstehen und enorm viel Spaß machen.

Trackliste

  1. 1. Down
  2. 2. Eleanor
  3. 3. Freakout/Release
  4. 4. Broken
  5. 5. Not Alone
  6. 6. Hard To Be Funky (feat. Lou Hayter)
  7. 7. Time
  8. 8. Miss The Bliss
  9. 9. The Evil That Men Do (feat. Cadence Weapon)
  10. 10. Guilty
  11. 11. Out Of My Depth

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LAUT.DE-PORTRÄT Hot Chip

Die treibenden Kräfte hinter Hot Chip sind Alexis Taylor und Joe Goddard, beide verantwortlich für Musik und Texte, die außerdem den Gesang beisteuern.

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