laut.de-Kritik

Die Postcore-Helden schieben noch ordentlich Frust.

Review von

Schon klar: Chuck Ragans Solo-Platten sind absolut spitze und auch The Draft oder Chris Wollard & The Ship Thieves haben schöne Alben raus gebracht. Aber am besten sind die beiden Sänger doch gemeinsam mit Bassist Jason Black und Drummer George Rebello. Hot Water Music war immer mehr als die Summe der einzelnen Teile.

Das haben mittlerweile auch die vier Mitglieder erkannt.
Wobei: Die lange Pause war wohl doch ganz gut, denn "Exister", das erste HTW-Album seit acht Jahren, klingt frisch, spielfreudig und putzmunter. Fast so, als ob die vier Herren sich tatsächlich erst wieder darüber klar werden mussten, wie gut sie eigentlich sind und was sie als Band gemeinsam leisten können.

Schon der Opener "Mainline" strotzt vor Energie. Die Erleichterung und Freude, endlich wieder mit den Kumpels Musik machen zu können, springt aus jeder Note, jeder Zeile, jedem Beat. Das soll nicht heißen, "Exister" wäre ein fröhliches Album, aber man merkt den Jungs deutlich an, dass sie bei HTW zuhause sind.

Eigentlich ist die Platte von den Texten her sogar recht deprimiert, niedergeschlagen und angepisst: "I'm hardly feeling human anymore / Enough to drag my body from the floor", singt Chuck in "Drag My Body". Es folgen Songs über die Kommerzialisierung unseres Lebens ("Drown In It"), dem amerikanischen Gesundheitssystem ("State Of Grace") und der Tatsache, dass wir arbeiten werden bis wir tot umfallen ("Safety").

Und dies wären nicht Hot Water Music, würde die Gruppe nicht wieder den kleinen und großen Problemen des Lebens kurzerhand den Stinkefinger zeigen. Die andere Hand wird wahlweise dazu genutzt, dem Nebenmann freundschaftlich auf die Schulter zu klopfen oder sie zur Faust zu ballen und trotzig in die Luft zu recken. Man könnte sie aber auch zum Luft-Bass spielen verwenden (das wird ohnehin viel zu wenig gemacht), denn wieder einmal beweist Jason Black, was für ein Tier er am Vier-Saiter ist und wie derbe man im Punkrock grooven kann.

Das zeigt vor allem das grandiose "Drag My Body", in dem auch Chuck zu Höchstform aufläuft und seine ganze Stimmgewalt auf den Hörer einprasseln lässt. Chris' dreckiger Gitarren-Sound und Georges Drum-Geprügel geben dem Song den Rest. Puh. Luft holen. Die restlichen Tracks stehen dem in nichts nach, drücken mal ordentlich aufs Gaspedal wie der Opener, torkeln traurig im Dreiviertel-Takt nach Hause ("No End Left In Sight"), verbeugen sich mit kleineren Spielereien vor dem Blues ("Wrong Way") oder brüllen sich in bester HTW-Manier den bierseligen Frust von der Seele ("Paid In Full").

"Diese Band wusste, wann es Zeit war zu gehen", schrieb Kollege Möller in seiner Kritik zu "Till The Wheels Fall Off" anno 2008. Mag sein. Vor allem aber wussten sie auch, wann es Zeit war wieder zu kommen. Und diese Zeit ist genau jetzt. Willkommen zurück, Jungs. Schön, dass ihr wieder da seid.

Trackliste

  1. 1. Mainline
  2. 2. Boy, You're Gonna Hurt Someone
  3. 3. State Of Grace
  4. 4. Drown In It
  5. 5. Drag My Body
  6. 6. Safety
  7. 7. Exister
  8. 8. Wrong Way
  9. 9. Take No Prisoners
  10. 10. Pledge Wore Thin
  11. 11. No End Left In Sight
  12. 12. The Traps
  13. 13. Paid In Full

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