laut.de-Kritik
Bitte nicht noch eine junge Berliner Gitarrenband!
Review von Dani FrommOh, nein. Bitte nicht noch eine junge Berliner Gitarrenband! Nicht schon wieder das ewige Schlagzeug-Gitarre-Bass mit mehr oder weniger sinnfreien Texten! Bitte, bitte nicht noch mehr junge Menschen, die bemüht auf den ausgelatschten Pfaden von Tocotronic zu wandeln versuchen!
Vorurteile? Hab' ich, jawohl. Wer hat die nicht? Vorurteile kommen ja auch meist nicht von ungefähr. Jetzt also Hund am Strand. Junge Menschen, Anfang 20. Aus Berlin. Schlagzeug, Gitarre, Bass. Deutsche Texte. Na, Prost.
Zunächst einmal: "Adieu Sweet Bahnhof" bestätigt jedes Vorurteil. Die Songstrukturen sind denkbar simpel, die gleich im ersten Stück angedrohten "4 Akkorde" werden in der Tat "unaufhörlich wiederholt" und gnadenlos durchgehalten. Diese vier Akkorde beherrschen Bassistin und Gitarrist immerhin leidlich. Den Punk-Rock, von dem in der Presseinformation ständig die Rede ist, höre ich allerdings nirgends - das ist schon alles sehr zivilisiert.
Auch kann ich nicht nachvollziehen, wo der Hauch von Samba versteckt sein soll. Und die Stimme von Fabian Schwinger mit der des großen Helge Schneider zu vergleichen, wie es ein Kollege wagte ... Ich weiß nicht, ich weiß nicht. Oh, und um noch eine Unfreundlichkeit loszuwerden: Die Abmischung ist ebenfalls nicht besonders gelungen. Das Schlagzeug kommt stellenweise viel zu leise an; besonders in "Eine Sache" und "Frühling" wird es von der Gitarre einfach tot geschrammelt.
Und jetzt vergessen wir das alles. Es ist nämlich scheißegal. Die Gitarre wird zwar nicht virtuos, aber mit unfassbarer Spielfreude gehandhabt; wenn sie nicht wirklich auf Kniehöhe gespielt wird, so hört es sich doch zumindest so an - das gibt Punkte. Die Basslinien sind zwar unkompliziert, flocken aber (zum Beispiel in "47 11") fröhlich dahin - weitere Punkte. Ja, das Schlagzeug ist zu leise - doch wer kann das übel nehmen, wenn der Drummer (in "Zeit zu Trauern") mit der absurdesten Glockenspieleinlage aufwartet, die ich seit meiner Kindergartenzeit gehört habe? Punkte dafür.
Einen Sonderpunkt für die wirklich bezaubernden Band-T-Shirts. (Ich hoffe, das im Text von "Frühling" erwähnte Alice Schwarzer-T-Shirt gibt es auch bald zu kaufen, ich wäre dabei.) Den Lukas hauen Hund Am Strand allerdings mit den Texten: "Langsam geht mir der Text aus. Das Singen und Spielen verlangt so viel ab." Junge Junge, da muss man begreifen, dass die Stimme schon mal kippen kann. Hat denn niemand ein Hustenbonbon für den Mann? "47 11" ist wirklich ein einziges Vergnügen, mein Humorzentrum haben die Strandhunde damit auf jeden Fall voll erwischt. "In der Mitte" lässt einen Anflug von Ska erkennen - und wenn mir dazu ein junger Mann verspricht "Für dich tauch ich meine Hände in Geschirrspülmittel ein", dann geh' ich die nötigen Halsbonbons doch sofort kaufen. Vielleicht hol' ich mir im Zuge dessen auch gleich ein T-Shirt und eine Konzertkarte.
Virtuosität wird überbewertet. "Adieu Sweet Bahnhof" ist ein verdammter Spaß. Und jetzt: "Geht! Ihr könnt mir nichts erzählen! Verpisst Euch, raus hier! Tür zu!"
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