laut.de-Kritik
Das Deep Purple-Urgestein blickt zurück.
Review von Kai ButterweckBei manchen Dinos der Branche mag man gar nicht glauben, dass sie auch schon vor der Gründung ihrer zwischenzeitlich berühmt gewordenen Bands wie AC/DC, Kiss und Rolling Stones in musikalischen Kollektiven tätig waren. Das Stones-Aushängeschild Mick Jagger beispielsweise spielte mal in einer Combo namens Little Boy Blue And The Blue Boys. Die erste Band, in der sich Angus Young austobte, hieß Tantrum. Und die beiden Kiss-Köpfe Gene Simmons und Paul Stanley rockten vor der großen Maskerade unter dem Wicked Lester-Banner.
Auch Ian Gillan hat bereits vor dem Deep Purple-Siegeszug in einer Band gespielt: bei The Javelins. Und mit seinen Kumpels von damals hat sich Ian im März 2018 in Hamburg getroffen, um noch einmal im Archiv zu wühlen.
Ganze vier Tage benötigten die Herren Gillan, Fairminer, Tacon, Whitfield und Roach, um die Band-Vibes wieder zu beleben und ein Album aufzunehmen, das klingt, als hätte es die vergangen 55 Jahre gar nicht gegeben. Das Einzige, das hier fehlt, ist das Geräusch, das entsteht, wenn sich die Plattenspielernadel in altes Vinyl bohrt.
Auf den Spuren von Legenden wie Chuck Berry, The Drifters, Jerry Lee Lewis, Ray Charles, Buddy Holly und Bo Diddley wandelnd, legen Ian Gillan und Co ein zweites Rock'n'Roll-Goldabzeichen ab. "Do You Love Me"? Klar doch! Wer sich so inbrünstig und mit jugendlichem Elan zu seinen Wurzeln bekennt, den muss man einfach lieb haben.
Gemeinsam mit seinen Javelins tanzt Ian Gillan wie ein kleiner Junge ums hell flackernde Lagerfeuer. Begleitet wird er dabei von stoisch groovenden Drums, einer zwischen Bierzelt und Pub pendelnden Gitarrenabteilung und Melodien, die jedem 60s-Fan das Herz aufgehen lassen.
Wenn das "Rock And Roll Music"-Klavier wild trippelt, die Bluesharp sich mit lang gezogenen "Uhuhuhus" duelliert ("Smokestack Lightnin'") und die Essenz des Rhythm and Blues neue Wurzeln schlägt ("Why I'd Say"), stürzt man sich daheim voller Vorfreude in Papas alte Plattensammlung. Hier und heute kann man es mal wieder lauthals aus dem Fenster brüllen: Früher war (fast) alles besser!
3 Kommentare
"Früher war (fast) alles besser!"
Aber nur in dem genannten Kontext. Nebenwirkungen, wie unkontrolliertes Schütteln etc. nicht ausgeschlossen und im Fall einer Dysfunktion, wenden sie sich an ihr Butterbrötchen ihres Vertrauens.
Danke Kai, mehr Retro geht nicht!
Sorry, bei allem "Wohlwollen" bei 4 Sterne bin ich nicht dabei. Finde die meisten Interpretationen einfach belanglos und langweilig und kommen im Ansatz weder von der Band noch von Gilans Gesang an das Original heran. Von mir 2 1/2 Sterne.
Bemerkenswert, zum reinhören. Cool für geneigte Hörer. Aber das ist für mich zu langweilig.