laut.de-Kritik
Detailverliebter Indie-Pop mit eingängigen Harmonien.
Review von Kai ButterweckMit ihrem sechsten Studioalbum "Lights Out" will sich Ingrid Michaelson endgültig vom Image des Pop-Mäuschens für weichgespülte "Grey's-Anatomy"-Dauergucker befreien. Dabei setzt die 34-jährige New Yorkerin vermehrt auf eingängige Harmonien und detailverliebte Indie-Pop-Arrangements. Feuer mit Benzin löschen? Geht das?
Die ersten Takte des Openers "Home" sorgen jedenfalls zunächst für spitze Ohren. Alles scheint zu passen. Die Melodien machen sich zwar sofort und ohne Umschweife in Richtung Sinnesorgane, doch hinterlassen sie dabei nur wenig Spuren. Mit folkigen Gitarren und dezenten, mit Hall gefütterten Florence And The Machine-Anleihen animiert der Einstieg zum chilligen Mitwippen.
Nach drei Minuten überspannt die Sängerin den Bogen aber. "Girls Chase Boys" schwingt aalglatt und überzogen mit einer 0815-Mainstream-Pop-Glasur durch die Boxen. Mit dem trägen Melancholie-Drama "Wonderful Unknown" legt sich Ingrid Michaelson wieder ohne zu murren auf den OP-Tisch des fiktiven Seattle Grace Hospital. So einfach scheinen sich die Fesseln der Vergangenheit dann doch nicht lösen zu lassen.
Vielleicht hätte die Verantwortliche ihre Image-Metamorphose lieber selbst in die Hand nehmen sollen, anstatt sich auf die Eingebungen diverser vorbelasteter Songwriter zu verlassen. So präsentieren sich Songs wie der Handclap-Groover "Warpath", der Ohoho-Hüpfer "One Night Town" oder die mit 80s-Synthies überladene Halbballade "Stick" in einem blütenweißen Wartezimmer-Pop-Korsett.
Mit Ecken und Kanten geht die Belegschaft sehr sparsam um. Lediglich der kesse Stadion-Dreiminüter "Time Machine", sowie das brausende Bombast-Finale von "Everyone Is Gonna Love Me Now" wehren sich mit Erfolg gegen die Anziehungskraft des Frühstücksradios.
Das ist am Ende zwar genug, um im Gespräch zu bleiben und im Schutz des flächendeckenden Emotion-Pop-Schattens keinen allzu schmerzhaften Sonnenbrand davonzutragen, aber definitiv zu wenig um den zarten Klauen von Meredith Grey und Co zu entkommen.
1 Kommentar
Geht, kommt nur auf die Menge des Benzins an und wie groß die Flamme ist.