laut.de-Kritik

Der Kendrick Lamar des Südens?

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Das derzeit alles überstrahlende Indie-Label Top Dawg Entertainment aus Übersee zauberte im letzten Jahr mit Isaiah Rashad das nächste gänzlich unbekannte Wunderkind aus dem Hut. Vor nicht allzu langer Zeit schlug der Junge samt schwangerer Freundin noch in Tennessee die Zeit tot, hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und träumte von der großen Rapkarriere.

Heute ist sein erstes offizielles Release in Fachkreisen das am heißesten erwartete Projekte des Jahres. Okay, das hat natürlich auch mit dem außergewöhnlichen Talent des 22-Jährigen zu tun. Obwohl die "Cilvia Demo", wie dem Titel schon zu entnehmen ist, an vielen Stellen unfertig und konzepthaft wirkt, sind die großartigen Ansätze nicht zu überhören.

Seinen Sound kann man an verschiedenen Referenzpunkten festnageln, zuvorderst zu nennen wären da OutKast, denen er mit "West Savannah" sogar eine vertonte Huldigung widmet. Er adaptiert hier insbesondere deren Hooks, die meilenweit von gängigen Frage-Antwort-Schemata entfernt funktionieren. Nicht selten setzen sie sich aus einem Mischmasch aus Gesang und Rap zusammen, was eine einzigartige Soundästhetik erzeugt. Aber auch Dirty South-Pionier Scarface ("Brad Jordan") und Styles P ("R.I.P. Kevin Miller") haben einen unverkennbaren Einfluss auf das Schaffen Rashads.

Der Klang verbindet oftmals zwei gegensätzliche Komponenten: Er ist warm und zugänglich auf der einen, roh, ungeschliffen und rumpelig auf anderen Seite. Dies hat zur Folge, dass er nicht immer leicht zu fassen ist. Dem entgegen wirkt wiederum der fast schon beängstigend unaufgeregte Vortag Rashads.

Denn trotz seines jungen Alters beherrscht er verschiedenste Attitüden: Ob technisch versiert ("Webbie Flow (U Like)"), nonchalant und zugleich hypnotisch ("Tranquility", "Heavenly Father") oder mit aggressivem Unterton ("Modest", "Banana").

Und ja, der Junge hat obendrein auch noch Themen abseits des herkömmlichen Materialismus- und Frauengeprahles parat. Manchmal sind sie ganz klein und privat. Etwa, wenn er von seinem alkoholkranken Vater erzählt, der die Familie früh verlassen hat. Statt dabei aber mit erhobenem Zeigefinger die Schuld bei anderen zu suchen, hinterfragt er sich selbst. Hat er sich die falschen Vorbilder ausgesucht? Legitimiert ihn das Fehlverhalten des Vaters zum exzessiven Alkohol- und Drogenkonsum?

Auch vor etwaigen Liebesgeschichten macht Rashad keinen Halt. Diese sind glücklicherweise frei von jenen Peinlichkeiten, die diesen Songs im Hip Hop ein belächeltes Standing einbrachten. Stattdessen macht er sich in jeweils kongenialer Begleitung von SZA und Jean Deaux auf und davon, "while Southernplayalistic(adillacmuzik) banging through the night".

Wie bodenständig und auch menschlich die gesamte Erscheinung Rashads ist, lässt sich ganz gut an dem Umstand ausmachen, dass er fast komplett auf namhafte Gastbeiträge verzichtet, die er sicherlich problemlos an Land gezogen hätte. Auf ähnliche Art und Weise ging vor wenigen Jahren auch ein anderer Rapper vor. Er heißt Kendrick Lamar und ist heute einer der besten MCs weltweit. Und neuerdings Labelkollege von einem gewissen Isaiah Rashad.

Trackliste

  1. 1. Hereditary
  2. 2. Webbie Flow (U Like)
  3. 3. Cilvia Demo
  4. 4. R.I.P. Kevin Miller
  5. 5. Ronnie Drake
  6. 6. West Savannah
  7. 7. Soliloquy
  8. 8. Tranquility
  9. 9. Menthol
  10. 10. Modest
  11. 11. Heavenly Father
  12. 12. Banana
  13. 13. Brad Jordan
  14. 14. Shot You Down

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