laut.de-Kritik

TDEs meist Unterschätzter liefert - und wie!

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Die Qualität einer wirklich guten Platte lässt sich recht verlässlich an ihrer Halbwertszeit ablesen. Isaiah Rashads sträflich unterschätztes Top Dawg-Debüt "Cilvia Demo" ist dafür bestes Beispiel. Seit nunmehr zweieinhalb Jahren nutzt sich das Teil keineswegs ab, sondern behält dank feinem Beatpicking und unnachahmlichen Hook-/Bridgegame seinen gesamten Charme und wirkt dazu präsenter denn je.

Während zwischenzeitlich allerdings Labelkollegen wie Kendrick Lamar, ScHoolboy Q und Konsorten zum Teil geschichtsträchtige Alben veröffentlichten, war es, abgesehen von den Freetracks "Nelly" und "Smile", die beide umgehend das Qualitätssiegel "Best New Track" von Pitchfork erhielten, erstaunlich ruhig um das jüngste TDE-Member geworden.

Deshalb ist es umso verwunderlicher, dass nach einer nicht enden wollenden Wartezeit "The Sun's Tirade" auf den ersten Blick reichlich ungeordnet und gar skizzenhaft daherkommt. Das unsägliche Cover-Artwork wäre wohl noch zu verschmerzen gewesen, in Kombination mit der wilden und auch aufgeblähten Tracklist verspielt Rashad aber fast schon den ersten Eindruck, ohne überhaupt einen Song gehört zu haben.

Was allerdings darauf folgt ist eine gute Stunde aufgewühlter, ideenreicher und immer unfassbar gefühlsintensiver Musik, die sich oft im Detail verkriecht und anfangs nur schwer zu greifen ist. Thema von "The Sun's Tirade" sind die reizüberfluteten letzten Jahre Rashads und deren Verarbeitung, respektive der Flucht vor ihnen. Neben Alkohol- und Medikamentenproblemen, die wiederholt Grund für einen Fast-Rauswurf bei TDE waren, spielen die beiden Kinder Rashads immer eine zentrale Rolle in seinen Texten.

"Dressed Like Rappers" kanalisiert die Erfahrungen recht unverblümt, wenngleich Rashad – und das wiederholt sich im Laufe der Platte fortwährend – verträumt bis stellenweise weggetreten ins Mikrofon rappt und sich dadurch im Umkehrschluss extrem verwundbar macht: "Saw my son, miss my daughter/ Real life/ What does it feel like?/ I got my pills on/ You know I’m real numb". Auch "Stuck In The Mud" funktioniert ähnlich. Nach dem wunderbar entschleunigten Song mit SZA fadet der Track über in einen drogenähnlichen Rauschzustand, Rashad haucht in letzter Verzweiflung: "Pop a xanny/ Make your problems go away/ I can handle, make your bottle go away".

Die Platte kann aber auch anders. Denn wie auch sonst sollte man beim vielleicht stärksten besetzten Independent-Label unter Vertrag stehen, ohne auch nur einen Hauch Selbstvertrauen zu haben. Bemerkbar macht sich das in etwa auf "Park", dessen überlanger, dramaturgisch konzipierter Part keine Fragen offen lässt: "Mama I knew I was about it/ Way before venue was crowded". Das wunderbar smoothe "Wat’s Wrong" dagegen verhält sich wie weite Teile des Albums unaufdringlich. Auch dank eines Kendrick Lamar, der es nicht für nötig erachtet, sich großartig aufzuspielen, sondern mit seinem Part eher an unbeschwerte "Section.80"-Zeiten erinnert.

Was "The Sun's Tirade" im Endeffekt aber so viel besser macht als vieles andere, was man landläufig unter 'laidback' einordnen würde, ist Isaiah Rashad selbst. Wie nur wenige andere versteht es der Südstaatler, Zorn, Resignation oder Überschwänglichkeit authentisch in Worte zu fassen und dabei so dermaßen on point über Beats zu rappen, die von ihren weichen Drums und fragilen Samples leben. Oder wer kann sich seit Kanye an einen Outro-Slowjam erinnern, der atmosphärischer und stimmiger daher kommt als "By George (Outro)"? "I'm the best they never heard". Hört dem Mann mal lieber zu.

Trackliste

  1. 1. Where U At?
  2. 2. 4r Da Squaw
  3. 3. Free Lunch
  4. 4. Rope Ft. Sir // Rosegold
  5. 5. Wat's Wrong Ft. Zacari & Kendrick Lamar
  6. 6. Park
  7. 7. Bday Ft. Deacon Blues & Kari Faux
  8. 8. Silkk Da Shocka Ft. Syd
  9. 9. Tity And Dolla Ft. Hugh Augustine & Jay Rock
  10. 10. Stuck In The Mud Ft. SZA
  11. 11. A Lot
  12. 12. AA
  13. 13. Dressed Like Rappers
  14. 14. Don't Matter
  15. 15. Brenda
  16. 16. By George (Outro)
  17. 17. Find A Topic (Homies Begged)

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