laut.de-Kritik
Keine Chance gegen all die Flächen und Effekte.
Review von Kai ButterweckDas Debütalbum eines Castingshow-Gewinners entpuppt sich normalerweise als kommerzieller Selbstläufer. Das Gesicht ist noch frisch, und in der öffentlichen Aufmerksamkeit konkurriert das gemachte Sternchen durchaus mit diversen Weltstars aus Übersee. Und so setzte sich im vergangenen Jahr auch "The Voice Of Germany"-Siegerin Ivy Quainoo in den Charts fest – Titelseiten-Duelle mit Branchen-Ikonen inklusive.
Anderthalb Jahre später folgt der zweite Streich der Berlinerin mit ghanaischen Wurzeln. Statt in der Top Five findet sich "Wildfires" in der ersten Woche lediglich auf Rang 40 der hiesigen Longplay-Charts wieder. Auch das ist normal, wobei sich viele Casting-Champs mittlerweile freuen, wenn ihr Zweitwerk überhaupt noch öffentlich erfasst wird. Das liegt bekanntermaßen oftmals an den künstlerischen Knebelverträgen, die der Gewinn einer Casting-Trophäe zur Folge hat.
Zwar hat Ivi Quainoo an den insgesamt 14 neuen Tracks fleißig mitschreiben dürfen, doch prangt der "We Love Music"-Banner nicht umsonst auf der Rückseite des Covers. Und so erweist sich das groß angekündigte "Pop-Soul-R'n'B-Dancefloor-Potpourri mit Tiefe" als die von vielen erwartete Mogelpackung.
Statt der begnadeten Stimme der Hauptstädterin einen intimen Soul-Background zur Seite zu stellen, kleistern die Verantwortlichen an den Reglern den Großteil der Songs mit nervenden Handclaps, überproduzierten Synthieflächen und in Hall gebetteten 80s-Drums zu. Der Versuch, die ausdrucksstarke Stimme der Sängerin mit der Hilfe von effektüberladenen Großraumdisco-Vibes verstärkt ins Rampenlicht zu katapultieren, geht natürlich derbe nach hinten los.
Songs wie der stimmgewaltige Opener "Wildfires", die eingängige Hymne "Hey Caesar" oder die Candle Light-Ode "Empty" werden mit blutleeren Kopfschüttel-Einschüben aus der Retorte um Lohn und Brot gebracht. Verzweifelt kämpft Ivys Organ immer wieder gegen aufgeplusterte Baukasten-Winde aus dem Hintergrund an – ohne Erfolg. Den Tiefpunkt erreicht das Album mit "Dancing Dynamite". Völlig aufgesetzt und mit reichlich debilen Einwürfen versehen, schreit der dreiminütige Dubstep-Crashkurs für Strobosüchtige förmlich nach dem Drücken der Skip-Taste.
Letztlich präsentieren sich ganze zwei Songs annehmbar. Da wäre zum einen die aufwühlende Piano-Ballade "300 Years", in der sich Ivys Stimme endlich mal von all dem Technik-Ballast befreit. Ähnlich viele Pluspunkte erhält das abschließende "Imaginary Friends". Hier schunkelt sich die Sängerin, begleitet von Ron Sexsmith und erwärmenden Akustik-Akkorden, in bessere Welten. Zwei Tropfen auf einen ultraheißen Stein. Wer zupackt, ist selber schuld.
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