laut.de-Kritik

Der Gipfelslacker grüßt von ganz oben.

Review von

Vor vielen Jahren fragte ich J Mascis einmal nach dem schönsten Kompliment, das er als Musiker je bekommen habe. Es war die Zeit der umjubelten Dinosaur Jr.-Reunion und der Marshall-Methusalem trat gerade in das Nike-Releasepartykonzert-Kapitel seiner Karriere ein. Auf derlei Veranstaltungen stehen naturgemäß auch mal Kinder rum, und so kam eine Zehnjährige nach dem Auftritt zu ihm und sagte: "Hey, du hast gut gesungen."

Das fand er irrsinnig komisch, der Mann, der wie kein Zweiter für epische Gitarrensoli, violette Sneakers und graue Haare steht. Doch Kindermund tut Wahrheit kund. Noch einmal vier Jahre später erschien sein Solodebüt, auf dem Joseph Donald Mascis Junior tatsächlich richtig schön gesungen hat.

Seit neuestem nimmt er sogar Gesangsstunden, wenn auch vor allem, "um meine Stimmbänder nicht auszublasen, als Dinosaur Jr. wieder auf Tournee gingen". Mascis ist ja auch schon bald 53. "Elastic Days" knüpft insofern an den 2014 erschienen Vorgänger "Tied To A Star" an, als er erneut auch Drums und Keyboards integriert und nicht der reinen Unplugged-Lehre folgt. Das gelang schon 2014 ausnehmend gut, wenn man auf teilweise ziemlich verhuschten Indie-Folk steht, der klingt, als sitze der Protagonist in seinem verschlafenen Heimatort Amherst in Massachusetts und dengele dort mit Blick auf bunte Skateboards und Rolling-Stones-Skier frei assoziierend in den Tag rein.

Dieses Mal fokussiert sich J aber, und zwar von Minute eins an. Man entnimmt gleich "See You At The Movies" eine Prägnanz, die ihm früher eher nicht so wichtig schien. Die Mustersingle gerät ungemein melodiös und fährt auch noch ein Buttersolo auf, so dass auch wirklich jeder Neuankömmling sofort schnallt, wieso sich mit diesem Mann auf Insta Charlie Watts, Pat Smear und Koala-Babys ablichten lassen. Songzeilen für T-Shirts ("I don't peak too early / I don't peak at all") gibts wie gewohnt gratis dazu.

Diesmal sogar Feuerzeug-Material, was nicht negativ klingen soll: unverspulte Balladen wie "Web So Dense" oder zartes Fingerpicking-Hauchen ("I Went Dust") im Verbund mit Gastsängerin und Sub Pop-Kollegin Zoë Randell, die sich so für Mascis' Gastauftritt auf dem aktuellen Album ihrer Band Luluc revanchiert. Natürlich kann man die Platte absolut locker nebenher hören, wie es mit gut gemachten Akustikgitarrenalben halt immer geht, mehr Band-Feeling als bei "Elastic Days" war aber nie.

Das macht es im direkten Vergleich so speziell. "Give It Off" ist quasi Dinosaur unplugged, dennoch als Komposition mit sanft begleitendem Instrumentarium rund gemacht. Hier wäre nun der Zeitpunkt, seine Mitstreiter Pall Jenkins (Black Heart Procession) und Mark Mulcahy (Miracle Legion) zu nennen, aber was genau die gemacht haben, bleibt unserer Fantasie überlassen. Ist ja nicht schlimm: Aus den Boxen kommt sowieso 100% Mascis.

Für die prominenter im sehr warmen Sounddesign vertretenen Drums ist er dann natürlich auch selbst verantwortlich: "Ich hatte gerade ein neues Schlagzeug bekommen, auf das ich mich sehr gefreut habe. Also habe ich viel mehr Drums gespielt, als ursprünglich geplant war. Ich habe einfach weitergespielt. Ich spielte die Akustikgitarrenparts und ging dann direkt zum Schlagzeug."

Manchmal sind die naheliegendsten Entscheidungen einfach die besten. "Drop Me" gewinnt dadurch maßgeblich, ebenso das auf dem "Pet Semetary"-Akkorden fußende "Cut Stranger" oder das an Evan Dando erinnernde "Sometimes". Der Gipfelslacker ist hörbar in Fahrt, die Platte ein Bündel an brillanten Tunes und, hey, er singt einfach gut.

Trackliste

  1. 1. See You At The Movies
  2. 2. Web So Dense
  3. 3. I Went Dust
  4. 4. Sky Is All We Had
  5. 5. Picking Out The Seeds
  6. 6. Give It Off
  7. 7. Drop Me
  8. 8. Cut Stranger
  9. 9. Elastic Days
  10. 10. Sometimes
  11. 11. Wanted You Around
  12. 12. Everything She Said

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