laut.de-Kritik

Gebrochene Herzen machen gute Alben.

Review von

James Blake ist nicht so gut gelaunt. Nach drei hervorragenden Alben, in denen er einen eigenen Stil zwischen Post-Dubstep und Glitchpopballade kultivierte und als eine Art zeitgenössische Pixies gleichzeitig leiser und lauter als der Mainstream war, nahm das vierte Album "Assume Form" eine andere, nun ja, Form an. Coole Rapperfreunde und HipHop-Beats revolutionierten den Sound nicht, änderten ihn aber doch merklich. Dazu kamen gefühlt tausend Kollaborationen mit Rappern und R'n'B-Sängerinnen (besonders empfehlenswert: "Both Sides Of A Smile" mit Dave) und Produktionen (Empfehlung: "Age Of").

Weder diese Erfolge noch die langjährige Beziehung mit Jameela Jamil hindern nun Blake daran, 2021 mindestens so mies gelaunt zu sein wie sein blasses Bürschchen-Ich zu Zeiten seines Debüts. "Friends That Break Your Heart" beginnt mit einem Schlag in die Magengrube namens "Famous Last Words", in der einer kaputten Beziehung, die alles ruiniert hat, nachgeweint wird. Der Sound kommt weniger dekonstruiert als in früheren Zeiten daher, aber mit Blake-typischen Synthie-Crescendo-Flächen. Deutlich mehr Raum als jemals zuvor nimmt dagegen die Stimme des Sängers ein. Und das lohnt sich, denn Blake hat ein nicht nur mächtiges, sondern innig schmachtendes und Nähe schaffendes Organ. Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, dass der Londoner öfter aus dem Bariton als dem Falsett kommt - so verströmt er viel Wärme.

Allerdings nur in der Stimme, keinesfalls im Topos. Verzweifelter Trennungssong, die Zweite: Mit "Life Is Not The Same" folgt bereits das Highlight: Im Refrain steckt die gesanglich beste Leistung des Albums, das Songwriting zählt mit zum besten, was Blake jemals hervorgebracht hat. Mit einfachen Mitteln wie einem wohlplatzierten Quietschen nach dem Refrain und einem Vocal-Sample schafft Blake Unmittelbarkeit, Dramatik und Dynamik. Hier und an einigen anderen Stellen macht sich die Arbeit von Hip Hop-Co-Produzenten wie Metro Boomin durchaus bemerkbar.

Blake fühlt sich merklich wohl auf den Beats und fremdelt nicht wie bei vielen seiner Features. Ein Musterbeispiel ist "Frozen", einer der progressivsten und souveränsten Rapsongs dieses Herbsts. Der melodische Beat beweist James' Seelenverwandschaft mit Captain Murphy, die Rapper JID und SwaVay brillieren, reißen mit Lines wie "Feel like Serbia / I shot Hercules / I'm a murderer" das Haus ein und fügen sich mit "Now Hotlanta don't feel so hot anymore" sogar thematisch in die Erstarrungsthematik des Songs ein. Ein selten gelungenes Beispiel einer gleichberechtigten Verquickung von Rap und Soul-Pop.

Aufgrund des größeren Raums, den Blakes Stimme einnimmt, fühlt sich die Scheibe auch mehr denn je wie Soul an, ein Potenzial, das schon immer zu spüren war. Dazu passend ist "Coming Back" der Bewerbungsgospel für die nächste Kanye-Scheibe, Radiopop im besten Sinne. Blake, dass alte Schlitzohr, nutzt dafür nicht die basslastigen Mittel, die er selbst in den Mainstream mit einführte, sondern kreiert einen fast schon klassischen Popsong. "Foot Forward" verfolgt ein ähnliches Ziel.

Nach diesen kurzen Ups stellt "Funeral" wieder die dem Künstler angemessene Verbitterung her. Leider als schwächster Song der Platte, da zu arg nach Schablone klingend und in der Albumversion ohne den zumindest immer interessanten Slowthai. "Show Me", ein zielloses Säuseln mit Power-Pop-Passagen, nimmt sich qualitativ ebenfalls nichts: Monica Martin scheint nicht recht zu wissen, was sie in dem entweder ereignislosen oder völlig in einer Wall of Sound aufbrandenden Song tun soll.

Auf "Lost Angel Nights" hört man einen souveränen Blake im für das Album typischen Soundgewand, der über Neid und Eifersucht in Beziehungen philosophiert, der Titeltrack "Friends That Break Your Heart" ist Blakes erster Gitarrensong mit "Real Friends"-Kanye-Hommage. Schön, aber auch simpel. "I'm So Blessed You’re Mine" kommt den Songs des Zweitwerks am nächsten - Democharakter verbunden mit Lust am Loop.

Der Musiker dreht sich inhaltlich weiterhin ausschließlich um sich selbst, in einem manchmal atemlosen Strudel an Schuld und maoistisch anmutender Selbstbezichtigung. Es muss anstrengend sein, James Blake zu sein - aber kaum einer kreist schöner. Das zeigt die Single "Say What You Will", die sich mit "I might not make all those psychopaths proud / at least I can see the facеs of the smaller crowds" ironisch gibt, aber letztlich doch gemein ins eigene Fleisch beißt.

Das etwas eindimensionale Outro "If I'm Insecure" ("But if this life matters / how am I still wasting it?") drückt einem dann freundlich zunickend die Rasierklinge in die Hand und verabschiedet den Hörer von einem um einige Facetten reicheren, sich nicht mehr linear - und umso interessanter - entwickelnden Blake. "Friends That Break Your Hear" funktioniert nicht an allen Stellen, in seiner Gänze ist es aber mit Sicherheit eines der besten Popalben des Jahres. Und mit Sicherheit das deprimierendste.

Trackliste

  1. 1. Famous Last Words
  2. 2. Life Is Not The Same
  3. 3. Coming Back feat. SZA
  4. 4. Funeral
  5. 5. Frozen feat. JID & SwaVay
  6. 6. I’m So Blessed You’re Mine
  7. 7. Foot Forward
  8. 8. Show Me feat. Monica Martin
  9. 9. Say What You Will
  10. 10. Lost Angel Nights
  11. 11. Friends That Break Your Heart
  12. 12. If I’m Insecure

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