laut.de-Kritik

Easy like sunday morning.

Review von

Jamie Lidell hat sich Zeit gelassen. Ganze fünf Jahre nach "Muddlin Gear", seinem ebenso anstrengenden wie großartigem Solodebüt, hat der mittlerweile in Berlin lebende Engländer sein zweites Album fertiggestellt.

Mein erster Gedanke, "Meine Nerven, der Mann muss Stevie Wonder gefressen haben!", brachte mich noch mehr zum Grinsen, als ich irgendwo las, Jamie Lidell höre sich an wie eine Reinkarnation von Little Richard. Überhaupt könnte man mit den Interpreten, an die man bei "Multiply" denken muss, einen erstklassigen Soul-Funk-Sampler herausgeben; ich hatte Marvin Gaye, Otis Redding und Sly Stone ebenso im Kopf wie Ben E. King, Prince und Michael Jackson. Wie kommt das? Ganz einfach: Jamie Lidell kann singen. Dazu funky Bassläufe und insgesamt durchdachte Instrumentals - was will man mehr?

Schon der Titeltrack "Modify" kommt so herrlich Sitting-On-The-Dock-Of-The-Bay-mäßig daher, dass es eine Freude ist. "A Little Bit More" ist der einzige Song des Albums, der noch an den knarzigen Sound aus Super_Collider-Zeiten erinnert, als Jamie Lidell gemeinsam mit dem in Chile geborenen Technoproduzenten Cristian Vogel Musik produzierte, die in die gängigen Genre-Schubladen einfach nicht passen möchte.

Die Vocals in "A Little Bit More", nein, es ist NICHT Prince! "Newme" klingt dafür gleich wieder, als sei eine James-Brown-Nummer durch den elektronischen Fleischwolf gedreht worden. Das macht Spaß. Jamie Lidell schließt mit zwei herrlichen, engtanztauglichen Schnulzen. Man weiß gar nicht, ob man "This Time" oder "Game For Fools" zu diesem Behufe wählen soll. Ich für meinen Teil ziehe mich da elegant aus der Affäre und schlage als Anspieltipp meinen absoluten Favoriten vor: "What's The Use". "Life may sometimes be sad but it's always beautiful." So beschallt bestimmt.

"When I Come Back Around" als erste Single auszukoppeln: eine exzellente Wahl. Der komplexe musikalische Unterbau, über den Jamie Lidell seinen Gesang ausbreitet, stört keineswegs: Die Nummer kann es an Tanzbarkeit mit jedem Hit aus "Thriller" aufnehmen. Wäre er nicht gerade anderweitig beschäftigt, der King of Pop würde wohlwollend nicken.

Ich mochte Super_Collider vor Jahren schon. Als ich letztes Jahr einen Schweizer DJ in einem brettharten Funk-Set Super_Collider-Stücke habe unterbringen hören, war ich noch ehrlich verblüfft. Nach "Multiply" ist sogar mir restlos klar, welcher der beiden Herren der funky Teil des Duos war.

"Multiply" möchte man zum Frühstück hören. Easy like sunday morning.

Trackliste

  1. 1. Yougotmeup
  2. 2. Multiply
  3. 3. When I Come Around
  4. 4. A Little Bit More
  5. 5. What's The Use
  6. 6. Music Will Not Last
  7. 7. Newme
  8. 8. The City
  9. 9. This Time
  10. 10. Game For Fools

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1 Kommentar

  • Vor 18 Jahren

    Hallo liebe Musikfreunde,

    Jeden Tag ein neuer Titel und nie mehr als 24 zur gleichen Zeit: Unsere Playlist hat sich in den vergangenen Wochen beinahe komplett gewandelt. Wer nach dem passenden Soundtrack für bevorstehende Sommertage sucht, dem sei der ein oder andere Neuzugang ans Herz gelegt: z. B. der in Berlin lebende Musiker und Sänger Jamie Lidell, der nach seinem Debütalbum, welches elektronisch und experimentell geprägt war, nun auf seinem neuen Album Multiply mit wunderbar gesungener, moderner Soulmusik überrascht. Seit heute neu zu hören bei www.24secrets.de.

    Ein wahrer Leckerbissen in Sachen Minimal-Elektro wartet auf Euch im Surprise-Menü als kostenloser Download: Um welchen Interpreten es sich handelt, soll an dieser Stelle zwar nicht verraten werden, aber wer knisternde Beats und atmosphärische Sounds mag, wird an dieser MP3 seine Freude haben.

    Gute Musik wünscht Euch allen,

    Das 24secrets-Team