laut.de-Kritik
Der Gladiator verlässt die Arena. Als Sieger?
Review von Stefan JohannesbergJay-Z verlässt das Rapgame wie der Gladiator die Arena. "Are you not entertained", fragt Hollywood-Star Russell Crowe im Intro zum bombastischen "What More Can I Say" rhetorisch. Und die Meute johlt jubelnd, während Maximus die Schwerter auf den blutigen Sand der Arena schmeißt. Aber geht auch Jay-Z mit dem "Black Album" als Sieger aus seinem letzten Kampf hervor?
Der Anfang kommt auf jeden Fall mit ganz viel Pathos und Tränen, wie es sich für ein würdiges Abschiedsspiel gehört. Über einen rührenden The Chi-Lites-Loop von Just Blaze preist der Jiggaman den "4th December", seinen Geburtstag. Auch seine Mutter darf ihre Liebe zum Sohnemann äußern, die dann solch prächtige Blüten treibt wie "He was the last of my four children. The only one who didin't give any pain when I gave birth to him. Since then I knew he was a special child". Da schmilzt selbst das 'ice' um seinen Hals.
Trotz Rücktrittsschmalz zeigt sich Jay-Z oft von seiner sympathischen Seite. Das famose, von Kanye West produzierte "Encore" schwebt federleicht auf den Thron "Rapsong des Jahres", inklusive purem Hip Hop-Hook: "Now can I get an encore, do you want more. Cookin raw with the Brooklyn boy. So for one last time I need y'all to roar."
Das "schwarze Album" erinnert mit dem ausgeprägten Soul-Touch stark an sein Meisterwerk "The Blueprint", obwohl eine Rückbesinnung zu "Reasonable Doubt"-Zeiten angekündigt war. Doch DJ Premieroder Clark Kent sucht man ebenso vergeblich wie Dr. Dre oder The Roots. Zweimal an den Start gehen dagegen die Neptunes, ausnahmsweise ohne festgelegte Club-Regentschaft. "Allure" sonnt sich entspannt in N.E.R.D.-Atmosphäre, und die Single "Change Clothes" groovt melancholisch im Midtempo-Bereich.
Auf "Change Clothes" hört man gar überraschendes Understatement: "He is to the Eastcoast what Snoop is To the West, what Scarface is to Houston." Das kennen wir aus dem bereits erwähnten "What More Can I Say" anders, reimt dort Jay-Z doch: "I'm supposed to be number one on everybody list. We'll see what happens when I no longer exist." Was nach seinem Ausscheiden passiert, ist jedoch noch Zukunftsmusik. Hier und heute spielt Jay-Z gekonnt seine Stärken aus. Eine davon: die Unberechenbarkeit.
Mit seinem alten Bounce-Buddie Timbaland hüpft er dieses Mal nur ganz vorsichtig Richtung Dancefloor, da die Synthies fast traurig zirpen und quietschen. Dafür regiert ein Club-Monster der etwas anderen Hip Hop-Art das Album. DJ Quicks fährt für seine Interpretation von Madonnas "Justify My Love" ein Elektro-Brett auf, dass es Indie-Luschen die Adidas-Streifen von den Trainingsjacken blättert. Eher Latin-Flavors bedient dagegen Kanye Wests "Lucifer" mit dem hypnotischen "I Chase The Devil"-Sample von Max Romeo.
Etwas weniger euphorisch fällt die Freude dagegen bei 9th Wonders "Threat" und Rick Rubins "99 Problems" aus. Ersterer verliert mit seinem R. Kelly-Sample schnell an Reiz, während letzterer zwar wie ein Run DMC-Old School-Monster walzt, dem ein klein wenig mehr Feinarbeit aber nicht geschadet hätte.
Widmen wir uns jedoch dem Moment der Wahrheit, "The Moment Of Clarity". Der von Eminem zusammengeschraubte Song bietet typischen Slim Shady-Sound, die Lyrics von Shawn Carter sorgen jedoch für die absolute Maulsperre: "If skills sold, truth be told, I'd probably be lyrically, Talib Kweli. Truthfully I wanna rhyme like Common Sense. But I did five mill' - I ain't been rhymin like Common since". Da ist wohl jedes weitere Wort überflüssig. Jay-Z gibt Props an den Hip Hop-Underground und lässt hoffentlich mit diesen paar Zeilen alle Hater verstummen, die nur schwarz oder weiß, nur Club oder Def Jux kennen.
Jay-Z kümmert sich nicht um solche Dummheiten und verlässt mit "My 1st Song" stilecht und angenehm unpathetisch die Arena. Natürlich als Sieger, auch wenn "The Black Album" kein absolutes "Illmatic"-generiertes Klassikerpotential besitzt. Trotzdem ist es fragwürdig, dass Jay-Z nach einem solch starken Album nur aus Lustlosigkeit das Rappen aufgibt.
P.S.: Dass Russell Crow aka Gladiator Maximus nach der anfangs erwähnten Kino-Szene noch drei weitere Kämpfe in der Arena bestritt, bevor er das Zeitliche segnete, gibt Anlass zur Vermutung, Jay-Z habe sein Comeback bereits im Hinterkopf. Nicht umsonst wird er immer mit einem gewissen Michael Jordan verglichen.
8 Kommentare mit einer Antwort
Lohnt sich die Scheibe, hatte sie neulich in der Hand, war zwar noch nie ein begeisterter Jay-Z - Hörer, aber mir wird immer gesagt, wenn du "The Black Album" nicht gehört hast, hast du was verpasst, stimmt das denn nun
@Rower (« Lohnt sich die Scheibe, hatte sie neulich in der Hand, war zwar noch nie ein begeisterter Jay-Z - Hörer, aber mir wird immer gesagt, wenn du "The Black Album" nicht gehört hast, hast du was verpasst, stimmt das denn nun »):
Die lohnt sich auf jeden.
Paar Tracks sind Schwachsinn, aber s meiste ist stark.
4/5..
Kannste kaufen
@Rower (« Lohnt sich die Scheibe, hatte sie neulich in der Hand, war zwar noch nie ein begeisterter Jay-Z - Hörer, aber mir wird immer gesagt, wenn du "The Black Album" nicht gehört hast, hast du was verpasst, stimmt das denn nun »):
yep haste was verpasst.hör sonst nie jigga aber dieses album will ich nicht missen
eines der besten rapalben ever. vllt das beste rapalbum von jay-z. jedes lied ist ein meisterwerk.
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.
Willst du jetzt jedes, hier rezensierte Rapalbum mit halbseidenen One-Linern zudübbeln?
Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.