laut.de-Kritik

Sehr persönlicher Konzertfilm des Sängers von Wilco auf Solo-Tour.

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"Jeff, I love you, man!", grölt eine Männerstimme aus dem Publikum dem bärtigen Sänger von Wilco zu. Es ist die erste Szene in einem beeindruckenden Konzertfilm über die Solotour von Jeff Tweedy an der amerikanischen Westküste entlang. Er sei froh, wieder auf Tour zu sein, entgegnet Tweedy dem Verliebten, es sei wie eine Therapie und manchmal gebe es eine große Dunkelheit in seinem Inneren und dann wieder tauchten Stimmen in seinem Kopf auf, die seltsame Sachen sagten, wie: "Jeff, I love you, man!" Das Publikum lacht und es ist auch scherzhaft gemeint, der Hintergrund jedoch ist ein bisschen ernster : Nach einer schweren Tablettensucht, die aus einer Behandlung gegen Migräne und Depressionen resultierten, begab sich Jeff Tweedy 2005 in Entziehungskur.

Die DVD "Sunken Treasure" zeigt ihn bei fünf verschiedenen Auftritten ohne seine Band im Februar 2006 in intimer, verletzlicher und doch geläuterter Verfassung. Regissuer Christoph Green und sein Co-Regisseur Brendan Canty (Fugazi), die sich mir ihrer Filmreihe "Burn To Shine" bereits einen Namen machen konnten, gelingt es, die Intensität dieser spärlich instrumentierten Auftritte in langsamen Schnitten für den Zuschauer festzuhalten. Tweedy steht auf einem rotenTeppich, neben ihm mehrere Akustikgitarren in ihren Ständern, ein Stuhl, das war’s. Er beginnt zu spielen und um ihn herum wird alles dunkel, selbst das Publikum sieht man kaum.

Es bleibt ein bärtiger Mann, der mit dem Fuß im Takt tappend wunderschöne Lieder singt und man ist in jeder Sekunde dieses Filmes froh, sein Gesicht beim Singen zu sehen, denn es verrät viel. Bei "Shot in the Arm" etwa heißt es immer wieder: "I need something in my venes, bloodier than blood!" und man sieht ihm an, wie er diese Zeilen herausleidet, es nicht spurlos am Interpreten vorübergeht, wenn er seine eigenen Lieder singt.

Ohne Band, ohne Lärm im Rücken wirkt der Sänger von Wilco, allein mit seiner Gitarre, äußerst sensibel und dies macht der Film mehr als deutlich. Zwar unterhält er zwischen den Songs seine Zuhörer mit charmanten und selbstironischen Ausführungen, aber es gibt Grenzen: Nach der Darbietung von „Summerteeth“ in Portland bekommt das Publikum eine kleine verbale Abreibung, weil zu viele Zuschauer während des Songs geredet hätten, das funktioniere so nicht, beklagt sich Tweedy. Bevor er "Shoot In The Arm" anstimmt, ruft jemand: "Black Eye sucks!". Prompt versingt sich Tweedy und flucht: "Ich habe diesen Song 7 Millionen Mal gespielt, dieser Kommentar hat mich aus der Bahn geworfen." Man kommt dem Menschen hinter der Figur eines Frontsängers einer Rockband sehr nahe, dieser Film ist gänzlich frei von Rock’n’Roll Klischees, selbst auf Alkohol muss Jeff Tweedy derzeit verzichten.

In den On-The-Road-Sequenzen zwischen den fünf Konzerten hört man ihn statt dessen laut über das Verhältnis Sänger-Publikum nachdenken und sieht ihn Kreuzworträtsel lösen und Texte schreiben. "Ich wollte das Gefühl vermitteln, das ich selbst auf Tour hatte. Die Ödnis der volkommenen Isolation, die man betritt, wenn man schnell von einem Ort zum Anderen reist", so Regisseur Christoph Green über "Sunken Treasure". Das Repertoire, aus dem Jeff Tweedy vor jedem Auftritt seine Setlist zusammenstellt, besteht aus über 200 Songs, zu hören gibt es neben einem dem bisher unveröffentlichten Song "The Thanks I Get", auch Stücke aus der "Uncle Tupelo"- und "Loose Fur"-Zeit, sowie natürlich einige Wilco-Klassiker.

"I Am Trying to Break Your Heart" ist akustisch ebenso ein Höhepunkt, wie "How to Fight Loneliness", das Tweedy in stoischer und kauziger Manier vorträgt. Beim letzen Auftritt in San Francisco unterstützen ihn Wilco-Drummer Glenn Kotche und Nels Cline und setzen diesem sehr persönlichen, absolut sehenswerten Film einen poppigen Schlusspunkt.

Trackliste

  1. 1. Intro Seattle
  2. 2. Sunken Treasure
  3. 3. Theologians
  4. 4. The Ruling Class
  5. 5. Intro Portland
  6. 6. How to Fight Loneliness
  7. 7. Summerteeth
  8. 8. The Thanks I Get
  9. 9. Intro Eugene
  10. 10. I Am Trying to Break Your Heart
  11. 11. ELT
  12. 12. Shot In The Arm
  13. 13. Intro Arcata
  14. 14. Blacl Eye
  15. 15. In a Future Age
  16. 16. Laminated Cat
  17. 17. Intro San Francisco
  18. 18. (Was I) In Your Dreams
  19. 19. Airline to Heaven
  20. 20. Heavy Metal Drummer
  21. 21. War on War
  22. 22. Acuff-Rose

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