laut.de-Kritik

Der Grunge-Veteran verhilft wunderbaren Songperlen zu funkelndem Glanz.

Review von

Der arme Jerry Cantrell. Da stirbt ihm der Sänger seiner Band und einer seiner besten Freunde weg und man kann schon erahnen, unter welchem Stern sein zweites Solo-Werk stehen wird. Der mächtige Schatten von Alice In Chains fällt auch auf "Degradation Trip", obwohl es doch recht unfair ist, sein Schaffen vor allem mit den Verblichenen der Grunge-Welle zu vergleichen. Natürlich hört sich alles ähnlich an wie das, was die Band bis 1995 veröffentlicht hat, aber das liegt eher daran, dass der gute Jerry 95% der Songs geschrieben hat. Das beweist eigentlich schon zur Genüge, dass man es bei ihm nicht mit irgendeinem selbstverliebten Klampfer zu tun hat, sondern mit einem Künstler mit Ambitionen.

Die Ambition, gute Musik zu machen, hört man "Degradation Trip" von der ersten Note an. Die Sabbath-artigen Riffs fräsen sich schon beim Opener "Psychotic Break" gnadenlos in die Hörgänge und das setzt sich durch das ganze Album fort. Songschreiberisch absolut on Top, verhilft Cantrell mit dem bekannten zweistimmigen Gesang wunderbaren Songperlen zu funkelndem Glanz. Die Single-Auskopplung hätte man mit "Anger Rising" nicht besser wählen können. Wenn erst mal nach kurzen akustischen Intro das Riffgewitter losgeht, heißt es anschnallen. Furztrocken hämmert das Schlagzeug den treibenden Beat über die Lyrics und passend zum Songtitel baut sich eine aggressive, wütende Stimmung aus, die Jerry mit seinem Gesang sehr gut untermalt.

Düster ist die Grundstimmung des Albums, ohne jedoch in weinerliche Selbstzerfleischung abzudriften. Es bleibt sogar Raum für beschwingtes Liedgut. "Give It A Name" hebt sich mit seinem lockeren Rhythmus von den dunkleren Seiten von "Degradation Trip" ab, fügt sich aber im Album-Kontext dennoch gut ein. Zwar dreht sich auch hier alles um die immer wieder gerne praktizierte Neuinterpretation von Schlagzeug, Bass, Gitarre und Gesang, aber im Gegensatz zu vielen uninspirierten Muckern, die (wenn überhaupt) auf der Stelle treten, beweist Cantrell mit seinen Kompositionen, dass er immer noch zu einem der talentiertesten Songschreiber zählt. Und das ist alles, was zählt, trotz Alice In Chains.

Trackliste

  1. 1. Psychotic Break
  2. 2. Bargain Basement Howard Hughes
  3. 3. Anger Rising
  4. 4. Angel Eyes
  5. 5. Solitude
  6. 6. Mother Spinning In Her Grave (Glass Dick Jones)
  7. 7. Hellbound
  8. 8. Give It A Name
  9. 9. Castaway
  10. 10. She Was My Girl
  11. 11. Chemical Tribe
  12. 12. Spiderbite
  13. 13. Locked On
  14. 14. Gone

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