laut.de-Kritik

Lloyd Banks und Wiz Khalifa treffen auf edel ausgeschmückte Beats.

Review von

"Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen", orakelte einst Forrest Gump. "Man weiß nie, was man kriegt." So betrachtet, geht Joe Budden mühelos als Hip Hops Konfekt-Box durch. In herrlicher Unregelmäßigkeit schwankt er zwischen schier allgegenwärtiger Mainstream-Präsenz und Versenkung, Radiotauglichkeit und totaler Scheißdrauf-Attitüde. Bei ihm scheint jedesmal aufs Neue alles möglich.

Irgendwie schön, so wird es zumindest nicht langweilig. Zumal Joe Budden mit seinen vielen Gesichtern, die er auf "No Love Lost" abwechselnd zur Schau trägt, in erster Linie durch und durch authentisch erscheint. Wer fühlt sich schon an jedem einzelnen Tag gleich? Sich wandeln ist - wie irren - eben ungeheuer menschlich.

Von Irrwegen versteht Joe Budden Einiges. "Yes, Sir. The journey's been long", erklärt er im Intro zu "My Time". "And the wins have been short. But today none of that matters." Tatsächlich zählen nicht Gestern oder Morgen, sondern ausschließlich der Moment.

"The wings are extended. The fear is gone." Herzlichen Glückwunsch. Zu übertriebenem Schisshasentum besteht auch gar keine Veranlassung. Joe Buddens Rap-Skills stehen außer Frage. Seine Zeilen fräsen sich mit eleganter Lässigkeit durch die Höhen und Tiefen, die das Leben bereit hält. Neben technischer Trittsicherheit hat er zudem Themenvielfalt und das eine oder andere witzige Wortspiel zu bieten.

Auf frische Bilder - wie etwa die zu zahlenden Mitbewohnern umfunktionierten Leichen im Keller, die in "Skeletons" mindestens die halbe Miete des Apartments heranschaffen - wartet man bei manch einem anderen Kollegen ebenso lange wie vergebens. Auch gesunde Selbstkritik ist nicht jedermanns Sache.

Joe Budden hat damit jedoch kein Problem. Er räumt Pannen, Fehler und Fehltritte ein: "I really recognize that." Mit etwas Abstand auf das eigene Handeln zu blicken, bedeutet aber noch lange nicht, dass man deswegen in Schuldgefühlen und Selbsthass zerfließen müsste: "But nah, I don't regret a fuckin' thing I ever did."

Vom Intro bis in die Zugabe hinein geben dick drückende Bässe den Ton an. Mit gesprochenen Eingangs-Passagen verströmt Budden immer wieder nahezu Barry White-mäßige Schlafzimmer-Atmosphäre. Das nervt ein wenig, wenn mit "Switch Positions" und "Tell Him Somethin'" gleich zwei solche R'n'B-lastige Nummern hintereinander stehen, nachdem man im vorausgehenden Interlude noch ungebeten Ohrenzeuge schlüpfriger Vergnügungen wurde.

Für meinen Geschmack quatscht der Kerl dabei entschieden zu viel. Omarions Schmachtgesang ... naja. Auch der jodelnde E-Gitarrensound nimmt mir gegen Ende des Albums hin ein wenig überhand. Die jeweilige Stimmung treffen die edel ausgeschmückten Beats aber jederzeit. "In order to lose love probably gotta have it first."

Auf gleich mehreren emotionalen Ebenen erwischt einen "Top Of The World", das bratzt, schiebt und tickt. "I want the most because i had the least / that's why I'm on my game, biatch." Eine Motivation, die sich, so schlicht erklärt, mühelos nachvollziehen lässt. "NBA", so der drängende Wunsch. "Never broke again."

Eine amtliche Portion Dirty South-Vibe wabert sirupartig zähflüssig aus dem Beat, den Vinylz und Boi 1-da verantworten. Neben French Montana begrüßt Joe Budden als Gast am Mic hier Wiz Khalifa, der seinen frisch erworbenen Reichtum noch immer nicht verdaut zu haben scheint. Ebenfalls auf Vinylz' Konto geht der brummelige Bass in "Castles", in dem Budden friedfertig erklärt: "No beef, no malice, I got no vendetta with y'all."

So hat er Zeit, sich erfreulicheren Dingen zuzuwenden. Zeit für "You And I", einer tiefschürfenden Liebeserklärung, wie geschaffen für den Valentinstag. Mit Royce Da 5'9" ("All In My Head") oder Joell Ortiz und Crooked I ("Skeletons") steht danach ein wenig Vergangenheitsbewältigung an - jedoch stets unter dem Banner: "No remorse."

"Where's the pie? Gotta get my slice!" Lloyd Banks, Lil Wayne, Fabolous, Zungenakrobat Twista ... alle folgen sie Joe Buddens Einladung und tragen zum vielschichtigen, bunten Gesamtbild seiner Platte bei, die trotzdem nirgends wie eine wirre Feature-Sammlung um des Namedroppings willen wirkt. Dafür bleibt Joe Budden in seiner zentralen Aussage zu konsequent: Nichts leugnen, nichts bedauern.

Trackliste

  1. 1. Our First Again (Intro)
  2. 2. Top Of The World
  3. 3. She Don't Put It Down
  4. 4. NBA
  5. 5. You And I
  6. 6. Castles
  7. 7. All In My Head
  8. 8. Skeletons
  9. 9. Ghetto Burbs
  10. 10. Last Day
  11. 11. Role Play (Interlude)
  12. 12. Switch Positions
  13. 13. Tell Him Somethin
  14. 14. Runaway
  15. 15. My Time
  16. 16. No Love Lost (Outro)
  17. 17. She Don't Put It Down Remix

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