laut.de-Kritik
Oldies und Goldies in frischer Verpackung.
Review von Artur SchulzDie Haare sind noch weniger geworden. Ohne große Vorstellung, fast beiläufig betritt Joe Cocker die Bühne in der mit über 10.000 Fans gefüllten Lanxess-Arena in Köln - geht ans Mikro und wirft die Message des Abends ins weite Rund: "I Come In Peace". Das weiß und liebt das Publikum ohnehin. Und so entwickelt sich während des nun auf DVD vorliegenden Konzerts eine blitzsauber eingefangene Korrespondez zwischen Künstler und seinen Fans.
Zum Ende des Openers entledigt sich Cocker seines Sakkos. Er war, ist und bleibt der hemdsärmelige Blueser, der sich im Zwirn trotz aller Erfolge noch immer unwohl fühlt. Fürs erste Highlight brauchen Frontmann und Band nicht lang: dem eigentlich totgenudelten "The Letter" hauchen sie mit akzentuierten Bläser- und Gitarrensoli neues Bluesrockleben ein. Rhythmuswechsel steigern die Spannung. Und wenn die beiden Backgroundsängerinnen tiefschwarze Parts dazwischenfegen, fühlt sich nicht nur Joe so richtig in seinem Element.
"I'll Be Your Doctor" setzt auf funkig angehauchten Soul. Im Radio gehört, nötigt das altbackene "Up Where We Belong" mittlerweile längst zum Umschalten. Live allerdings entwickelt die Nummer, auch dank der gitarrenlastigeren Umsetzung, weit mehr Unterhaltungswert. Klar, dass hier unzählige Feuerzeuge die Arena stimmungsvoll illuminieren. Cockers Krächz-und Roar-Passagen kommen vielumjubelt wie einst im Mai.
Die Kameraführung der DVD ist wohltuend ruhig gehalten und bietet unter der der erfahrenen Regie Nick Wickhams (Foo Fighters, Rihanna) einen guten Standard. Was auch fürs gesamte Konzert gilt. Altmeister Joe ist hektischer Spektakel ohnehin unverdächtig. Er hält seinen Platz am Mikro, dann und wann mit den Armen rudernd, und voll auf den jeweiligen Song konzentriert- mehr erwartet, mehr will der Fan auch gar nicht.
Auf der anderen Seite kommt der Verzicht auf ablenkende - und überflüssige - Showelemente der Song-Präsentation natürlich bestens zu Gute. Der Sound ist als 2.0 PCM Stereo, Dolby 2.0 und Dolby 5.0 anwählbar und sorgt für satten Klang im Wohnzimmer. Als Bonus findet sich ein informatives "Behind The Scenes"-Feature.
Der 21 Tracks umfassende Mix aus aktuellem und älterem Material ist gut abgestimmt, und fällt mit zunehmender Konzertdauer immer deutlicher zugunsten der Classics aus. Ob "You Are So Beautiful", "You Can Leave Your Hat On", oder "Unchain My Heart": Cocker-Potpourri-Party at its best. Zwei der altgedienten Tracks hinterlassen einen besonderen Eindruck.
Zum einen natürlich das unverwüstliche "With A Little Help From My Friends". Ein kirchenorgelartig eingespieltes Intro stimmt ein auf den Rückzug ins Innerste von Cockers Seele. Hier ist er zurück in seinem ureigensten Woodstock-Element, und lebt diese Nummer mit großer Intensität. Lohn ist frenetischer Applaus des Publikums. Zum anderen gefällt "Cry Me A River" durch seinen quicklebendigen Mix aus Soul, Blues und Honky Tonk-Beats. Die Fans feiern und tanzen kräftig mit.
"You Don't Know What You're Doing To Me" vom aktuellen Studioalbum erfüllt seine Funktion als gefühlvoller Rausschmeißer bestens. Cockers Reibeisenorgan schmiegt sich eng ans zurückhaltende Piano, und sorgt ein letztes Mal für Gänsehaut beim Zuhörer. Beim Abschiedsgruß "God bless you, Köln - keep on rockin'!" strahlt ein sichtlich zufriedener Joe ins weite Arena-Rund.
Blues und Rock präsentieren Cocker & Co. auf dem Kölner Event als zwar überraschungsarme, aber immer grundsolide und bodenständig dargebotene Inszenierung. Mit einem Hauptdarsteller, der seine Rolle mit wirklichem Leben erfüllt und sich von erstarrter Routine, wenn denn überhaupt vorhanden, nie etwas anmerken lässt. Let the good Times roll!
2 Kommentare mit einer Antwort
Nett geschrieben, jedoch ist es leider so, dass Cocker seit fast 20 Jahren keine größere Abwechslung in seinen Setlists präsentiert. Seit der Live Platte von 1990 sind die Classics an der gleichen Position im Set...der Rest wird dann mit dem Zeug der aktuellen und der vorherigen Platte ersetzt.
Hallo Michael, nun seit 1990 sind nun auch einige Jährchen vergangen und einige Titel dabei die bisher noch nicht Live erschienen und höreneswert sind.
Cocker-Publikum benutzt also noch echte Feuerzeuge?