15. Februar 2001

"Unsichtbare Mächte kämpfen für mich ..."

Interview geführt von

Grund genug für LAUT, den Peppers-Gitarristen in einem Hamburger Hotel zum Interview zu treffen. In entspannter Runde erzählte er vom Musizieren mit und ohne seine Band-Kollegen, der Wichtigkeit elektronischer Musik, seinem Verhältnis zu Eminem und Marilyn Manson sowie von deutschen Bands, die selbst deutsche Musik-Freaks nur am Rande kennen. Am Abend zuvor hatte Frusciante ein Show-Case in der Prinzenbar absolviert.

LAUT: John, du hast bereits drei Solo-Shows in Europa hinter dir. Wie fühlt es sich an, ohne die Chili Peppers auf der Bühne zu stehen?

John: Weißt du, wenn ich alleine auf die Bühne gehe, ist das etwas ganz anderes im Vergleich zu den Chili Peppers-Shows. Ich liebe es, meine Songs auf der Gitarre zu spielen. Wenn ich einen neuen Song komponiert habe, spiele ich ihn nicht nur meinen Freunden in der Band vor. Alle meine Freunde kriegen ihn zu hören, egal wo ich bin. Das kann bei mir zuhause sein oder im Tourbus, einfach überall. Und sie mögen alle meine Songs.

Wenn ich alleine auf die Bühne gehe, denke ich eher an diese Art des Spielens. Das ist nicht zu vergleichen mit dem Gefühl, mit den Chili Peppers auf die Bühne zu gehen. Denn da kommt diese gewaltige Energie hoch, die entsteht, wenn wir vier zusammen sind. Niemand fühlt sich für den anderen verantwortlich, es sind einfach wir vier zusammen. Aber wenn ich Leuten meine eigenen Songs vorspiele fühle ich eine Energie, die ich selbst mit meinem Leben entfacht habe.

LAUT: Warum spielst du nur so wenig Solo-Shows? Wie man hört, warten die Chili Peppers schon im Studio auf dich ...

John: Well, es stimmt schon, dass ich zu einem bestimmten Zeitpunkt zurück sein muss, denn die Chili Peppers haben eine Show in L.A. und wir beginnen auch mit den Aufnahmen zu unserem nächsten Album.

LAUT: Also würdest du gerne mehr Shows spielen.

John: Klar, würde ich gerne. Ich habe es wirklich genossen, die letzten beiden Shows zu spielen, und kann die nächste kaum erwarten. Jetzt kommt noch ein Gig in Paris und einer in Amsterdam, im März spiele ich in New York, weil dort auch die Chili Peppers etwas zu tun haben und dann kommt noch L.A. Also, ich würde schon noch gerne einige Gigs spielen, aber gleichzeitig freue ich mich noch mehr auf die Arbeiten an der nächsten Chili Peppers-Platte.

LAUT: Was bedeutet es dir, wieder mit deinen Kumpels Musik zu machen?

John: Weißt du, die Zeiten, in denen ich Tag für Tag über neuen Songs für die Band gebrütet habe, gehören zu den besten Zeiten in meinem Leben. Meine einzige Lebensbestimmung besteht darin, morgens aufzuwachen, Musik zu hören, und mit der Gitarre zu Songs zu spielen, von denen ich mich beeinflussen lassen möchte. Wenn mir dann Ideen kommen, schnappe ich mir den Tape-Recorder. Das ist es, was mich glücklich macht. Ich denke, die beiden schönsten Momente in meinem Leben waren die Aufnahmen zu "Blood Sugar Sex Magik" und "Californication". Deswegen freue ich mich wieder sehr darauf.

LAUT: Spielt es für dich eine Rolle, wie Freunde deine Musik beurteilen?

John: Oh yeah, meine Freunde lieben es.

LAUT: Auch deine Bandkollegen?

John: Bei Chad weiß ich es nicht, ich habe ihm nie Sachen von mir gegeben. Aber Flea und Anthony lieben beide meine Musik. (überlegt) Wisst ihr, schon bevor diese Solo-Platte von mir rauskam habe ich zwei CDs gemacht, die nicht veröffentlicht wurden - also ich meine jetzt nicht meine beiden alten Alben.

Diese Platten habe ich 1999 über das Jahr aufgenommen, bevor ich angefangen habe, die Songs für meine neue Scheibe zu komponieren. Und die habe ich dann unter meinen Freunden verteilt. Jetzt werde ich nach und nach Songs von den beiden Alben als B-Seiten herausbringen, wie die vier Bonustracks auf meiner neuen Single "Going Inside". So bringe ich langsam das alte Zeug unter das Volk, denn es ist gut. (lacht)

LAUT: Zum neuen Album: für mich bergen vor allem die Instrumental-Tracks "Ramparts" und "Murderers" eine Atmosphäre, die mich an dein Gitarrenspiel auf "Californication" erinnert. Wie bestimmst du die Kriterien, dass ein Song zum Beispiel ein Chili Peppers-Song wird?

John: Also, ich habe mein Album auf der "Californication"-Tour aufgenommen. Auf Tournee ist außer mir niemand interessiert daran, Songs aufzunehmen. "Ramparts" und "Murderers" habe ich im März 2000 geschrieben und wenn ich einen der Songs für die Chili Peppers hätte reservieren wollen, würde ich heute noch warten ...

Obwohl, halt, es gibt doch einen Song für die Peppers, den ich damals auf meinem Drumcomputer eingespielt habe. Irgendwie kam mir die Idee, Gitarrenlines im Stile der UK-Surf Music à la The Ventures oder The Shadows mit Technobeats zu unterlegen. Anthony mochte eine meiner Aufnahmen und wollte unbedingt einen Song daraus machen. Also meinte ich, ok, wenn du glaubst, du kannst etwas darauf singen, dann bringe ich es nicht raus.

LAUT: Es gibt also keine musikalischen Konflikte?

John: Nein, nein. Anthony und Flea unterstützen mich wo sie können. Wenn ich ihnen gesagt hätte, ich möchte fünf Monate lang mein Soloalbum promoten, hätten sie gesagt: alles klar, mach das, solange es dich glücklich macht. Aber natürlich sind sie froh, dass ich es nicht mache ... (alle lachen)

LAUT: Was die Instrumentierung des Albums angeht, erfuhr man, dass dich vor allem New Order und Depeche Mode beeinflusst hätten. Gehören diese Bands im selben Maße zu deinen persönlichen Favoriten wie Syd Barrett, David Bowie und Jimi Hendrix?

John: Yeah, das ist für mich dasselbe. Ich bin der Meinung, dass es in jeder Epoche diesselben Energien gibt, die es ermöglichen, gute Musik zu kreieren. Aber es ist alles eine Frage der Unvoreingenommenheit, zu erkennen, dass diese Energien in verschiedenen Zeitperioden auch verschiedene Formen annehmen. Für mich sind jene Energien, die einst Jimi Hendrix dazu bewogen, neue Sounds zu schaffen diesselben, die Depeche Mode überkamen, als sie "Violator" aufnahmen; ein Album, das wie kein anderes Rockalbum zuvor klingt.

Weißt du, es gab eine Zeit in meinem Leben, da war ich noch ein kleines Kind und dachte: In den 60ern war die Musik doch am besten. Aber so fühle ich jetzt nicht mehr. Denn je mehr ich mich allen Spielarten elektronischer Musik gegenüber geöffnet habe, die in den letzten 20 Jahren aufgetreten ist, musste ich erkennen, dass einige Sachen davon mindestens so wegweisend und aufregend waren wie die Musik davor.

LAUT: Bei deinem Gig gestern hast du den Gitarristen Michael Rother als eine Inspiration erwähnt. Was bedeutet deutsche Musik für dich?

John: Oh, also deutsche Musik wird zusammen mit bestimmten anderen Sachen ziemlich sicher zu einem neuen Element des nächsten Chili Peppers-Albums werden. Wir alle lieben Neu! und Can, Harmonia und Cluster. Und ja, Kraftwerk gehören vor allem zu Fleas und meinen Favoriten. Doch in erster Linie stehen wir alle auf Neu!, bei denen Michael Rother der Gitarrist war.

Das wird mit in den Mix mit einfließen, denn alles was du anhörst, beeinflusst dich auch. Ebenso werden auch die Rhythmen und Strukturen von Dub und Technomusik einen wichtigen Teil des neuen Albums einnehmen. Natürlich wird es nach dem Sound klingen, den wir vier Typen zustande bringen. Doch ich denke, dass wir in der Lage sind, mit unseren Instrumenten einen ähnlich vielschichtigen Sound hinzukriegen wie manche Sachen aus dem elektronischen Bereich.

Bei den Aufnahmen zu "Californication" haben wir zum Beispiel viel Tricky, Portishead und Björk gehört und gezielt versucht, für jeden Song eine ganz eigene Atmosphäre zu kreieren. Die nächste Platte wird aber wie gesagt wieder mehr von anderen Sachen beeinflusst sein als von Triphop.

LAUT: Für uns klingt es beinahe unglaublich, wie man nach einem solch schwierigen Lebensabschnitt, wie du ihn durchgemacht hast, wieder einen derartigen Erfolg wie den von "Californication" erreichen kann. Fühlst du dich in einer Form privilegiert?

John: Ja, sehr sogar. Sich von etwas loszureißen, wie das, wovon ich mich befreit habe, ist eine Sache, für die ich nicht die Verantwortung übernehmen kann. Irgendwelche Kräfte im Universum da draußen müssen mich wirklich lieben. Ich weiß, dass eine Menge unsichtbarer Mächte für mich kämpfen. Alles was ich tun kann, ist ihnen jeden Tag dafür zu danken, indem ich die beste Musik mache, zu der ich imstande bin.

LAUT: Wie du vielleicht weißt, spielen auch Eminem und Marilyn Manson gerade in Hamburg. Hast du einen von beiden schon getroffen?

John: (zögert) Well, Eminem habe ich noch nie getroffen, aber die Leute von Marilyn Manson. Ich hatte immer eine Art Groll gegen ihn, seit ich einmal gelesen habe, dass Manson in seinem Buch schlecht über The Smiths redet. Deswegen mag ich ihn nicht, denn ich liebe die Smiths. Aber weißt du, ein paar gute Freunde von mir sind auch Freunde von ihm, also was soll's. Ich habe nichts gegen ihn, ich versuche einfach freundlich zu sein, seit ich ihm mal bei einem Interview ins Gesicht gefurzt habe ... (lacht)

Das ist Jahre her, er hat wohl damals für ein Fanzine in Florida geschrieben und behauptet, mich, Anthony und Flea für das Heft interviewt zu haben. Ich muss so um die 18 gewesen sein, ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, und ich muss ihm irgendwann wohl ins Gesicht gefurzt haben ... (alle lachen) Später hat er mir gesagt, dass er dasselbe jetzt auch mit den Interview-Leuten macht. (lacht)

LAUT: Wo wir gerade bei Manson sind, findest du, dass Künstler generell für Gewaltverherrlichung verantwortlich gemacht werden können?

John: Nein, denn für mich hat Kunst immer mit Gegensätzen zu tun. Ein Song, der von Traurigkeit handelt, kann jemanden zum Lächeln bringen. Das ist wie mit Punkrock, der für manche Leute um 1980 herum ja als gewaltverherrlichend galt; Punkrock war gerade das, was mich damals wieder runterbrachte. Ich konnte all meine Gefühle rauslassen, indem ich diese Musik hörte. Hätte ich damals nicht Punkrock gehabt, wäre ich vielleicht an einen Punkt gekommen, wo ich Leute umgebracht hätte.

Wenn ein Mensch einen anderen Menschen umbringt, ist das Schicksal und ich glaube nicht, dass irgendeine Musik einen Menschen zu so etwas treiben kann. Da müssen viel größere Energien im Spiel sein, die man nicht stoppen kann. Wobei Musik schon die Kraft haben kann, diese Energien zu balancieren. Für mich hat Musik kein anderes Ziel als Leute zusammen zu bringen.

Und Leute wie Eminem ... weißt du, Fleas Tochter war eine Zeitlang verrückt nach Eminem, bis sie irgendwann meinte, er sei ein gemeiner Kerl. Ich war nicht dagegen, als sie für ihn schwärmte, ich habe ihr auch sein Album gekauft, aber als sie es von sich aus herausfand, habe ich mich für sie gefreut. Denn ich möchte nicht, dass sie später einmal mit einem Typen wie Eminem zusammen kommt, sondern dass sie einen tollen Kerl trifft, der Charme hat und so ... (lacht) Wenn Eminem ihre Vorstellung von einem perfekten Typen ist, dann weiß ich auch nicht. (alle lachen)

LAUT: Hast du eine Meinung zum "One Hot Minute"-Album? (an dem 95er RCHP-Album konnte Frusciante nicht mitwirken, weil er sich zu der Zeit ganz dem Studium der Gifte widmete, d. Red.)

John: Ehrlich gesagt habe ich es mir noch nie von Anfang bis Ende angehört. Ich kenne eigentlich nur die Hitsongs.

LAUT: Schmerzt es dich, wenn du die Songs hörst?

John: Für mich klingt es sehr seltsam. Es ist ungefähr so, wie wenn du deine Ex-Freundin beim Sex mit einem anderen Mann beobachtest. Es ist unangenehm denn du weißt, du müsstest da jetzt sein. Und die Sachen, die ich gehört habe, gehören nicht gerade zu meinen Favoriten, in meinen Ohren klingen sie irgendwie unausgewogen.

John, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führten Michael Schuh und Eberhard Dobler.

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