laut.de-Kritik
So verheizt man sein Winterholz ziemlich großspurig.
Review von Johannes JimenoJohn Legend hatte bei seinem letzten Album "Love In The Future" Hip Hop-Größen wie Kanye West und Rick Ross hinter sich und positionierte sich als kontemporärer R'n'B-Künstler. Auf "Darkness And Light" bleibt davon eigentlich kaum etwas übrig, außer Chance The Rapper aus der Kopfnicker-Fraktion. Legend nimmt sich spürbar zurück. Mit reduzierten Arrangements, feinen Melodien, smarten Versatzstücken, aber auch einigen Belanglosigkeiten.
Diese neue Ruhe gewährt er gleich dem Opener "I Know Better". Lediglich von Piano und Orgel begleitet erzählt er von seinen Erfahrungen mit den Medien und seiner Demut. Eine ordentliche Portion Gospel schwingt hier mit. Der schon erwähnte Chance legt einen lässigen Part über Dekadenz und Rassismus in "Penthouse Floor" hin. Der Beat gerät dabei mit einer Prise Funk relativ nüchtern.
Das war es dann aber auch mit aktuellen sozialkritischen Texten. Mit Ausnahme des Schlusstracks "Marching Into The Dark" geht es bei Legend vor allem um sich selbst, seine Affären, seine Familie und die Liebe.
Das hat der Schmusebarde einfach drauf und serviert gelungene Häppchen. Der Titeltrack mit Brittany Howard überzeugt mit einem im Falsett singenden Legend und einer tollen Soul-Sängerin, die ihre Stimmgewalt aber nur im Ansatz andeutet. Zusammen mit Miguel croont er sich in "Overload" mit gedämpften Trompeten und einer coolen Atmosphäre Richtung Jazz-Club der 50er Jahre. Aber auch hier zeigt der Featuregast nicht sein volles Potenzial.
Berührende Momente schafft "Right By You (For Luna)", eine Ballade für seine Tochter. Umringt von feinem, sensiblem Schlagzeugspiel und einer wohligen Stimmung malt sich der Mann aus Springfield die Welt aus, in die Luna eines Tages hinein wächst. Er verspricht ihr, immer für sie da zu sein. Dazu haucht Kamasi Washington einige schüchterne Töne ins Saxophon. Wir wissen alle, dass dieser begnadete Musiker weitaus mehr zu bieten hat. So verheizt man sein Winterholz ziemlich großspurig.
Perfume Genius, um ein weiteres Helferlein zu nennen, baut das Soundgerüst für "Temporarily Painless", bei dem Legend über eine schmerzfreie Nacht mit einer Dame sinniert. Einer der wenigen Songs mit etwas mehr Tempo plus süßlicher Note. Perfekt für die Zeilen des gewitzten Schwerenöters: "Don't even know what your name is / When I taste your skin / I don't wanna sound shameless / I just wanna bring your body / Wanna push you in my place / Either hear you scream / You don't even have to stay / Oh but I don't think you wanna leave".
Zwei herausragende Highlights bringen Licht ins Dunkle des Albums: "What You Do To Me" zeigt Legend von einer kantigen Seite, denn er erzählt von einer nervenzehrenden Hassliebe. Musikalisch passend dazu erklingen ein düsterer, elektronischer Beat, der straight nach vorne pumpt und verzerrte Streicher.
Der Closer "Marching Into The Dark" kokettiert mit religiösen Anspielungen und fährt sogar ein bisschen Bombast auf: Vocoder-Stimme, Synthies, Gitarre und Background-Chor flankieren die punktgenauen Lyrics.
Einen passenderen Albumtitel hätte sich Legend nicht aussuchen können. Einige Lichtblicke erstrahlen hell, können jedoch die viel zu seichten und belanglosen Stücke nicht aus der Dunkelheit führen. Die Single "Love Me Now" steht beispielhaft für das Problem von "Darkness And Light": für eine Liebesbekundung an seine Frau klingt das viel zu zaghaft. So gestaltet sich auch der Großteil seiner Songs. Zudem geht er verschwenderisch mit seinen talentierten Gästen um, die er in sein Korsett der Zurückhaltung zwängt. Dies ergibt wenig Sinn vor dem Hintergrund, dass er dieses Jahr Vater geworden ist und eine glückliche Ehe führt. Da muss man doch vor Emotionen strotzen? Doch ihn scheint das eher zu beruhigen.
Immerhin ist John Legend reflektiert und ehrlich, weil er weiß: "Legend is just a name. I know better than to be so proud." Vielleicht kann er auf seinem nächsten Album für ein wenig mehr musikalischen Stolz sorgen.
2 Kommentare
Love in the Future war nice. Das hier ist dröge Pümmelmusik.
Get lifted und once again habe ich viel gehört, seitdem nehme ich ihn nur noch sporadisch als Feature-Gast wahr. Muss ich die letzten drei Alben nachhören, gibt es Anspieltipps?