laut.de-Kritik
Neues vom Jungstar des anspruchsvollen US-Pops.
Review von Giuliano BenassiJohn Mayer mag offenbar Widersprüche. Einerseits gilt er als Jungstar des anspruchsvollen US-Pops, andererseits dichtet ihm die Klatschpresse nicht unbegründet eine Beziehung mit dem verblassenden Popsternchen Jessica Simpson an. Ein Titel wie "Continuum" klingt ernst und kultiviert, stammt aber wie die der Vorgänger "Room For Squares" (2002) und "Heavier Things" (2003) inoffiziell aus dem Kinoklamauk "Zurück in die Zukunft".
Das Album verspricht Leichtigkeit und Schwere zugleich, wie der Opener "Waiting On The World To Change" beweist. Die entspannte Atmosphäre erinnert an Jack Johnson, doch der Text hat es in sich, denn Mayer versucht, die Politikverdrossenheit vieler Twentysomethings zu erklären: "Wir beobachten, was alles schief geht, in der Welt und mit denen, die sie führen. Wir haben einfach das Gefühl, nicht die Mittel zu besitzen, um uns aufzulehnen und sie zu schlagen. Deshalb warten wir. Wir warten darauf, dass sich die Welt verändert."
Was bei oberflächlichem Hinhören kaum mehr als Easy Listening scheint, entpuppt sich als Material mit Tiefe, ähnlich wie bei Dave Matthews oder Ben Harper. Die Melodien sind einfach, die Rhythmen dahinter oft kompliziert, was wiederum an Sting erinnert. Kein Wunder, hat sich Mayer doch mit den Studioveteranen Pino Palladino (Bass) und Steve Jordan (Schlagzeug) zusammengetan.
Beschäftigte sich das Trio auf seinem Livealbum "Try!" (2005) eher mit Blues, schlägt es hier eher die Richtung eines anspruchvollen Pops an, der stellenweise an die 80er Jahre erinnert. Mayer holt zwar immer wieder ein Solo aus seinen Saiten, doch durch seine hohe, ruhige, ausdrucksvolle Stimme stehen die Texte im Vordergrund. "Glaube ist eine wunderschöne Rüstung, aber auch das schwerste Schwert … Wir werden nie die Erde erobern, wir werden nie diesen Krieg beenden. Wir werden nie siegen, wenn Glaube das ist, wofür wir kämpfen," dichtet er kritisch in "Belief", begleitet von Ben Harper.
Auch wenn er sich musikalisch auf eher ruhigen Schienen bewegt, zeigt Mayer, dass er sich in der Musik gut auskennt. Ist "Gravity" noch ein langsamer Blues, legt er mit "The Heart Of Live" ein akustisches Gitarrenstück vor, das Paul McCartney neidisch machen könnte. "Vultures" dagegen fällt funky und fast tanzbar aus, mit Falsetto-Gesang, der die Bee Gees nachahmt.
Die größte Hommage gilt jedoch Jimi Hendrix, dessen "Bold As Love" das einzige Cover der Platte darstellt. Die Originalversion aus dem gleichnamigen Album ist zwar besser, weil rauer, aber die Wahl zeugt nicht nur von Liebe, sondern auch von Selbstbewusstsein. Den Schluss bilden drei bluesige Stücke, das letzte mit Bläsereinsatz.
Kein Zweifel: John Mayer gehört zu jener Hand voll Künstlern, die trotz ihres Erfolges noch ein enormes Potenzial besitzen. In den USA ist er bereits ein Superstar, in Europa hinkt er dem Erfolg etwas hinterher. Vielleicht, weil seine Mischung aus leicht verdaulichen Klängen und Anspruch nicht unbedingt den ausländischen Nerv trifft, vor allem bei denjenigen, die kein Englisch verstehen. "Continuum" ist ein Album, das sich erst bei mehrmaligem Hören eröffnet. Geduld lohnt sich, in diesem Fall.
3 Kommentare, davon 2 auf Unterseiten
ich freue mich schon auf das nächste album: battle studies