laut.de-Kritik
Genug ist genug und ab hier geh' ich allein!
Review von Michael SchuhGenug ist genug und ab hier geh' ich allein! Nun ja, Johnny Cash ging seinen Weg streng genommen schon immer allein, zumindest folgte er beständig seinen eigenen Vorstellungen und Instinkten. Trotzdem: Genug ist genug. Zwar ist eine Best Of-Scheibe, die seine Rubin Years einschließt, kein zwingendes Ärgernis, aber man zeige mir bitte jenen Singer/Songwriter-Rockfan, den bei der Wortkombination Johnny Cash und Greatest Hits-Platte nicht spontan die muskuläre Störung befällt, die landläufig als Gesichtsfasching bekannt ist.
Was hatten wir nicht schon alles? 3-CD-Boxsets, 4-CD-Boxsets, 5-CD-Boxsets und Cash-Studioalben, die für sich allein genommen schon Best Of-Alben darstellten. Von vier DVDs seit 2002 mal ganz abgesehen. Aber was war noch nicht da, höre ich das Label im Promozettel bereits aufschreien? Eine Best Of-Scheibe, die seine Rubin Years einschließt - gut aufgepasst. Ihr, liebe Label-Verantwortlichen, hättet im Gegenzug mal besser dafür Sorge getragen, dass der peinliche Rechtschreibfehler im Songtitel "A Boy Name Sue" nicht auf zig Millionen CD-Booklets gedruckt worden wäre.
Nun denn: Johnny Cashs 48-jährige Musikerkarriere in rund 60 Minuten. Knapp eineinhalb Minuten pro Jahr. Reicht zwar nicht (siehe Bewertungen der Boxsets), macht trotzdem Spaß. Dass die CD der Chronologie nicht peinlichst genau nachkommt, stört auch nicht weiter, da die Jahrzehnte wenigstens halbwegs zueinander passen. Falls das irgendeinem Käufer dieser Best Of überhaupt wichtig ist. Schließlich geht es hier nur um einen groben, eher rudimentären Einblick in Johnny Cashs sechs Jahrzehnte abdeckende Kompositionskunst.
Frei von Überraschungen ist "Ring Of Fire - The Legend Of Johnny" dann aber doch nicht: "A Thing Called Love" vom gleichnamigen '71er Album und das Stück "Highwaymen" mit Willie Nelson, Waylon Jennings und Kris Kristofferson aus den 80ern beantworten nicht nur die berechtigte Frage, was Cash eigentlich in jenen Jahrzehnten so getrieben hat, sondern liefern die Ursachen seines Karrieretiefs gleich mit.
Dass der "Cocaine Blues" nicht zum Zuge kommt, mag traurig sein, mit dem "Folsom Prison Blues", "Get Rhythm", "I Walk The Line" und natürlich "Ring Of Fire" sind jedenfalls dicke Meisterwerke vorhanden. Neben den erwähnten, qualitativ eher faden Song-Überraschungen muss man die Hinzunahme der weithin unbekannten U2-Kooperation "The Wanderer" von 1993 ausdrücklich loben, und anschließend herrscht eh Hymnenalarm: "Rusty Cage" (Soundgarden), "Personal Jesus" (Depeche Mode), "One" (U2) und "Hurt" (Nine Inch Nails) sind güldene Neu-Interpretationen des späten Alternative-Großvaters. Wer noch keinen Johnny Cash-Tonträger besitzt, findet auf "Ring Of Fire - The Legend Of Johnny" außerdem noch schöne Fotos und eine Kurzbiografie.
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