laut.de-Kritik
Der junge Johnny in einem Outlaw-Trash-Thriller.
Review von Michael SchuhDie zuverlässige, da allwissende Internet-Filmdatenbank imdb.com listet "Five Minutes To Live" von 1961 als den ersten Film, der Johnny Cash auf die Leinwand brachte. Da verwundert natürlich die Tatsache, dass Cash bereits um 1958, also zeitgleich mit seinem Labelwechsel von Sun zu Columbia, nach Kalifornien übersiedelte, um sein Glück im Filmgeschäft zu suchen. Musste der Man In Black etwa drei Jahre lang auf Wanderschaft gehen, bis jemand seine schauspielerischen Fähigkeiten entdeckte?
Sucht man die Antwort im seltenen und nun erstmals in restaurierter Fassung vorliegenden 90-Minuten-Film "Five Minutes To Live" (OmU), könnte sie "wahrscheinlich" lauten. Reichlich ungelenk verkörpert der damals 29-Jährige in diesem Film noir-inspirierten Super-Low Budget-Thriller vor dem Herrn den Halunken Johnny Cabot, der mit dem durchtriebenen Fred Dorella ein krummes Ding plant. So richtig abnehmen will man ihm das Outlaw-Image (noch) nicht, was wohl daran liegt, dass man Cash in jungen Jahren vor allem als "I Walk The Line" trällernden Country Boy in Erinnerung hat, was dem Trash-Spaß natürlich überaus zuträglich ist.
Im Vergleich zu Sun Records-Bruder Elvis, der gleich ein ganzes Jahrzehnt dafür ver(sch)wendete, gitarren- und mädchenumrankt durch plotarme Hollywood-Komödien zu turnen, kommt Johnny richtig schön evil rüber. Eine Gitarre darf auch Cabot spielen (Regisseur Bill Karn setzte wohl auf den Identifikationsgrad beim zahlenden Publikum), wenn auch ausschließlich den Titelsong "Five Minutes To Live". Der bezieht sich auf das Opfer des heiklen Plans, den Dorella ausgetüftelt hat: die Frau des Bankprokuristen Ken Wilson. Dorellas Aufgabe ist es, in die städtische Bank einzumarschieren und Wilson zu zwingen, ihm Dollarbündel einzupacken.
Damit der auf diese Bitte auch verständnisvoll reagiert, soll Cabot derweil Wilsons Frau zuhause aufsuchen und neben der Gitarre auch den eiskalten Killer spielen. Was die beiden Gangster nicht wissen: Wilson hat ein Verhältnis mit einer anderen und findet Dorellas Drohung deshalb gar nicht so unsympathisch. Es bleiben Wilson fünf Minuten, um sich zu entscheiden, wieviel ihm am Leben seiner Frau liegt. Cashs Darstellung des leicht psychotischen Bösewichts gewinnt nicht zuletzt durch Cay Foresters glänzendes Spiel als handzahme Hausfrau Nancy Wilson an Gewicht.
Wenn Cabot im Wilson-Haus herum randaliert, Nancy zunehmend terrorisiert und im Schlussspurt langsam die Nerven verliert, bekommt man eine Ahnung vom jungen Rebellen Cash, der zu jener Zeit Amphetamine schluckte wie andere Leute Traubenzucker. Auch während der Dreharbeiten an "Five Minutes To Live" war der Sänger bereits tablettenabhängig, und aufgrund einer mehrwöchigen Drehpause können ganz aufmerksame Cash-Maniacs im Film sogar seinen Gewichtsverlust ausmachen.
Ein schönes Ding also und auch die DVD-Aufmachung ist ohne Tadel: das Booklet enthält seltene Plakat-Reproduktionen und als Bonus gibt's noch den Trailer zu der ebenso seltenen 1965er Fassung des Films unter dem Titel "Door To Door Maniac" obendrauf. Für die stetig wachsende Cash-Fangemeinde ein Muss.
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