laut.de-Kritik
Fast schon eine Standleitung zum lieben Gott.
Review von Yan VogelIn Prog-Kreisen ist der Schwede Jonas Lindberg, ähnlich wie der französische Musiker Vivian Lalu durchaus ein Begriff, läuft aber immer ein wenig unter dem Radar. Als Multiinstrumentalist mit sowohl den frühen Siebziger als auch den Neo Prog-Vertretern sozialisiert, lehnt sich Lindberg zudem stark an DEN Musiker an, der eine Standleitung zum lieben Gott hat. Bei allen Analogien zu Neal Morse, klingt das Resultat nicht Morse of the same.
Man hört einen hohen Anteil an folkigen Passagen, die Integration weiblicher Stimmen und ein freigeistiges Siebziger-Denken, was dem häufig in Konventionen erstarrenden zeitgenössischen Prog zuwiderläuft. Im Stile Marillion mäandern gerade die Longtracks um einige wohlklingende Parts und entfachen hypnotische Wirkung. Aufhorchen lassen die Vocals in der Tradition von Styx und Kansas. "Oceans Of Time" oder "Secret Motive Man" verfügen über faszinierende wie fantastische Gesangsparts von Lindberg, Jenny Storm und Jonas Sundqvist.
Das eben erwähnte "Secret Motive Man" punktet mit tollen Cluster-Patterns in Gitarre und Keys, Harmonie-Vocals und einer dynamischen Songstruktur. Trotz der sieben-minütigen Spielzeit verfängt der Opener. Noch poppiger geht "Little Man" über die Ziellinie. Die textliche Konfrontation mit dem kindlichen Ich gelingt in der musikalischen Übersetzung Folk-basiert mit naiven und eingängigen Melodien. 'Wo komm ich her, wo geh ich hin' als Leitthema im ebenfalls kurzen "Why Im Here" setzen Lindberg und Co. nochmals Pop-affin um.
Anders sieht es bei den überlangen Stücken aus. Der 25 Minuten-lange Titeltrack durchmisst in Sieben-Meilen-Stiefeln spielerisch 50 Jahre Rock-Geschichte und streift nebenbei traditionelle Spielarten wie hochkulturelle Gefilde. Die schwedische Verbindung perfekt macht die Kollaboration mit Flower Kings-Mastermind Roine Stolt, der den Titeltrack in Form eines raumgreifenden Solos veredelt.
"Queen Of Times" startet mit einer verspielten Synthie-Einlage, die so auch aus den nervösen wie kreativen Fingern eines Ryo Okumoto von Spock's Beard stammen könnte. Das Duett mit Sängerin Jenny Storm lehnt sich melodisch an "Little Man" an, nimmt aber einige pittoreske instrumentale Schleichwege. "Summer Queen" offeriert einen flirrenden Sommerabend, der kein Ende nehmen möchte.
Platzhirsche wie Morse oder Marillion liefern derzeit durchgängig Qualität:. Dass es aber um den Nachwuchs keinesfalls schlecht bestellt ist, zeigt das Beispiel Jonas Lindberg.
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