laut.de-Kritik
Lebe den Moment: Eine Rock'n'Roll-Love-Story, größer und echter als jeder Kalenderspruch.
Review von Michael Schuh"You risk nothing, you gain nothing": Der Untertitel der Dokumentation über das Zusammentreffen der Musiker-Legenden Iggy Pop und Josh Homme klingt nicht nur staatstragend, der amerikanische Mythos lebt hier vollständig auf. Selbst wenn man als Jugendlicher im gottverlassenen Coachella Valley aufwächst und zu Iggys "Repo Man" skatete, könnte man eines Tages mitten in eben dieser kalifornischen Wüste in einem Studio 14 Tage mit eben diesem Iggy Pop verbringen. Selbst wenn die Großtaten der eigenen Karriere in immer weiterer Ferne zu liegen scheinen, könnte man es noch einmal in den Rock-Olymp schaffen. Mit Mut, Willen und Risiko.
Viel zu kurze 81 Minuten lang nimmt uns Regisseur Andreas Neumann mit ins Jahr 2015, als die später ins Album "Post Pop Depression" mündende BFF-Story der Protagonisten mit einem Fedex-Paketversand von Pop an Homme beginnt. Inhalt: selbstverfasste Anekdoten und nerdige Produktionsdetails zu den Aufnahmen seiner Berlin-Alben "The Idiot" und "Lust For Life" mit Bowie aus den späten 1970ern, erklärte Lieblingsalben des QOTSA-Sängers. "Ich wusste, dass er ein beschäftigter Mann ist, er tourte gerade mit Queens, aber auf Tour ist einem häufig langweilig, also dachte ich, ich schicke ihm was dorthin, das ihn vielleicht neugierig auf eine Kollaboration macht", erzählt Pop mit dem ihm eigenen, gewinnbringenden Lächeln. Der an Superstar-Komfort gewöhnte Homme war gerührt und nennt die Postsendung später das "wertvollste Geschenk meines Lebens".
Der in Los Angeles ansässige Fotograf Neumann, Jahrgang 1967, der bereits Musiker wie Lenny Kravitz, Herb Alpert oder auch Fußball-Ikone Pelé portraitierte, kommt der Männerfreundschaft bemerkenswert nahe und verdeutlicht seinen Eingang in den innersten Kreis der Musiker. Neumann war überall dabei, mit Ausnahme vielleicht von der zweistündigen Autofahrt vom Los Angeles International Airport nach Palm Desert, wo Homme seinen Spiritus rector ungestört und ohne Manager-Brimborium kennen lernen will.
"American Valhalla" beginnt mit der Ankunft aller Musiker (Homme, Pop, Matt Helders, Dean Fertita) im legendären Wüstenstudio Rancho De La Luna (QOTSA, Eagles Of Death Metal, Brant Bjork) und endet mit dem London-Konzert der triumphalen Album-Tournee, für die Iggy erst überredet werden musste.
Der Film wendet sich somit nicht ausschließlich an Fans des gemeinsamen Albums von 2016, sondern ist vor allem das Dokument einer nicht alltäglichen Rock'n'Roll-Begegnung an einem wahrlich nicht alltäglichen Ort. Selten wurden Kalendersprüche wie "Lebe den Moment" oder "Vertraue deinen Instinkten" schöner visualisiert als in dieser Love-Story mit den Ingredienzien Freundschaft, Vertrauen und Harmonie, veredelt mit dem Quäntchen Glück des Schicksals und der Magie des Augenblicks. Alle Musiker führen Tagebuch, denn das Ereignis ist einmalig. You risk nothing, you gain nothing.
Dass sich Koch-Promi Anthony Bourdain auch ab und an in Iggys Zuhause in Miami als Journalist versucht, ist eher sekundär. Im Mittelpunkt steht Josh Homme, es ist sein Idol, sein Fedex, sein Studio, seine Band und seine Story. Gleichzeitig strahlen alle Beteiligten eine Sympathie aus, dass man am liebsten mit jedem einzelnen bei einem Bier in der Kneipe noch einmal über dieses Once-in-a-lifetime-Happening sprechen würde.
Iggy selbst, spätestens seit Jim Jarmuschs The Stooges-Doku "Gimme Danger" als unerhört gewitzter Erzähler bekannt, liefert ebenfalls Bonmots am Stück, etwa die Entstehung des ersten gemeinsamen Stücks "Break Into Your Heart". Die von Homme erdachte Titelzeile hätte er so nie geschrieben, erzählt er freimütig, denn er sei nicht der Typ, der mit der Tür ins Haus fiele, sondern eher ein "lurker", einer der sich bedeckt halte, beobachte und dann entscheide, "to crawl under your skin".
Neumann, der seitdem auf der Queens-Gehaltsliste steht und auch die Visuals zum "Villains"-Album verantwortet, gelang mit "American Valhalla" eine kurzweilige Doku, die dem Ausnahmestatus der musikalischen Begegnung gerecht wird. Selten outeten sich berühmte Musiker so ungeschminkt als Fanboys. Es gilt, was Dean Fertita an einer Stelle über den ersten Studiotag mit Iggy erzählt: "Ich konnte mich kaum aufs Spielen konzentrieren, als ich seine Stimme über Kopfhörer hörte."
3 Kommentare mit 4 Antworten
Hätte doch eh fünf Sterne bekommen, selbst wenns 90 Minuten lang Iggy und Homme beim Labskaus zubereiten gezeigt hätte.
Natürlich hätte es das. Und auch vollkommen zurecht.
Nope.
Tja, da werden wir wohl, sollten uns die Kollegen Homme und Pop nicht wider Erwarten doch mit so einem kulinarischen Höhepunkt beglücken, für den Rest unserer beider Leben im stillschweigenden Dissens diesbezüglich verharren müssen.
Das Cover sieht schon mal aus wie aus nem billigen Ghetto-cop-streifen
gröbster müll für gehörlose fanboys, die wahrscheinlich auch noch eine 90 minütige darmspülung ihrer idole als große rock'n'roll lovestory abfeiern würden.
da die Idolsucher ni8chts mehr vorfinden im heutigen glatten High Rotation Musikbusiness können sie mit einem abgehalterten Ex- und einem Psycho abgespeist werden. Daher 5/5