laut.de-Kritik
Das Herz pocht etwas lauter.
Review von Josef GasteigerMusikkarriere mal anders rum: Anstatt nach jahrelangem Undergroundstatus endlich seine Songs im TV in Sendungen oder Werbung wiederzufinden, ging es für Joshua Radin gleich mit der ersten Komposition zur Sache: "Winter" brachte Freund Zach Braff bei "Scrubs" unter, und seither fanden seine intonierten Herzensangelegenheiten steten Einzug in hippe amerikanische Vorabend-Serien.
Doch die Zeiten, in denen sich Radin durch zerbrechliche und tieftraurige Singer/Songwriter-Kleinode hauchte, scheinen sich dem Ende zu nähern. Vom 'Rock' im Plattentitel ist er zwar immer noch einige Lagerfeuergigs entfernt, doch schon mit der Albumeröffnung "Road To Ride On" gibts eine schwungvolle, treibende Neuausrichtung im Sound, die dieses Album prägt.
Deutlich Spürbar war das eine Ende des Dynamikreglers nicht genug. Mehrstimmige Chöre, geschäftige Streicher und lauteres Schlagzeug sprechen eher Kopfnickermuskeln und Tanzbein als Herz an. Genauso wie der klatschende Pianopop in "Streetlight" oder der groovende, kitschig-optimistische Upbeat von "I Missed You".
Zwar vermisst Joshua immer noch sehr oft seine Angebetete, packte diese Sehnsucht aber in ein frohes Gewand. Nach der ersten Albumhälfte ist die Niedergeschlagenheit der Frühwerke fast komplett vergessen. Stattdessen gibts luftigen Schunkelpop, der aus dem Studio in Nashville auch die eine oder andere Country-Schlagseite mitnahm. Durchaus abwechslungsreich und lupenrein produziert fließt Radins etwas dickerer Sound problemlos in die Lauscher.
Mit "You Got What I Need" liefert der Amerikaner eine gemütlich walzende Ballade ab, der er sogar ein kleines Orgelsolo gönnt und zu der Norah Jones wohl auch nicht Nein gesagt hätte.
Aber es geht auch anders, denn das Leben ist und bleibt nun mal kein Ponyhof. "Think I'll Go Inside" kommt wieder ganz als fragile Herzensangelegenheit und weckt nicht grundlos das Bild eines einsamen verlassenen Mannes in strömendem Regen. Sparsame Klaviertöne über feines Fingerpicking und ein flüsternder Joshua, der Zeilen singt wie: "And I felt this way before, walkin out your front door, I'm a sea without a shore, and it's raining". Spätestens da lachen sich Fernsehproduzenten ins Fäustchen und haken die Suche nach dem Soundtrack für die nächste große Breakup-Szene ab.
Da kommt er wieder durch, der meisterhaft inszenierte Herzschmerz, der mit reduzierter Instrumentierung besser funktioniert, als mit der sphärischen, wenn auch gradlinigeren Popstruktur eines "Here We Go". Will er leiden, so ist die Ruhe und seine immer fast brechende Stimme der sichere Weg zum Erfolg. Die emotionale Seite war und bleibt Radins Steckenpferd.
Joshua erlaubt sich dennoch endlich mal etwas mehr Lautstärke, die besonders zu Albumbeginn wie ein lang ersehnter Aufbruch klingt. Ganz aber kann er seinen Hang zum Flüsterrock, wie er ihn nennt, nicht ablegen. Denn das erwarten nicht nur die Fernsehzuschauer.
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