laut.de-Kritik

Hater, da habt ihr den Salat!

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"Boom Boom Boom": Die Kannibalen in Zivil beginnen mit ihrer ersten Single aus Studioalbum Nummer fünf "mit 'nem Schlag ins Gesicht". Ob das wohl "Anstiftung zum Terrorismus?" sei, fragt man sich in der Redaktion der Welt entsetzt. Sprich: wieder einmal alles richtig gemacht. Der "Vier-Sack-Antrieb" läuft wieder auf vollen Touren, läutet im Vorbeigehen das Ende der Welt ein und pinkelt der heutigen Gesellschaft schnell noch ordentlich ans Bein.

Am Anfang scheinen die vier den Eindruck zu bestätigen, sie hätten den für sich gepachteten Zynismus und Humor abgelegt, der stets als Ablassventil für ihre Gesellschaftskritik herhielt. Doch den doppelten Boden zimmern die Berliner nach wie vor so gekonnt wie eh und je. Mit dem Unterschied, dass sich zwischen den doppeldeutigen Tracks auch einige direkte, unverzierte Ansagen finden. Doch genau darin liegt die Stärke der Platte: Wenn die Provokation zum Alltag verkommt, muss man den Schritt hin zu mehr Ernsthaftigkeit wagen.

Wenn sich die Klosterschüler im Zölibat überhaupt an etwas messen müssen - Vergleiche zu den Jungs von Trailerpark oder den 257ers hinken so sehr, dass auch kein Rollator mehr hilft - dann sind es ihre eigenen Werke. Und bei "Hurra Die Welt Geht Unter" prasseln keine mäßigen Stromgitarren-Riffs mit Berliner Dialekt über einen herein, ebenso verzichten sie auf das schier unmöglich zu durchschauende Elektro-Gestrüpp aus 2013. Im Gegenteil, "die Stimmung ist ab der zweiten Hälfte ziemlich düster. Das ist bei uns früher höchstens mal bei einem Song der Fall gewesen. Und es ist auf jeden Fall ein bisschen ruhiger. Also wenn man mal versucht das 'Ganz oben'-Mixtape ganz durchzuhören, dann kriegt man schon eher einen epileptischen Anfall", erklärt Nico.

Die Themensongs schnüren einen roten Faden durch das Album, das mit der Apokalypse-Fantasie des Titel-Tracks endet. Was das Paket jedoch so rund macht und auch anders als die Vorgänger-Scheiben, ist, dass die Beats die Strophen perfekt umgarnen. Obwohl diese teilweise schon über zehn Lenze zählen, erschafft Nico einen stringenten und kohärenten Sound, der "Hurra Die Welt Geht Unter" den letzten Schliff aus einem eigenen, gelungenen Mix aus Boom Bap, Trap sowie stampfenden und weichen Synthies verpasst.

Neben gewitzter Selbstbeweihräucherung ("Es liegt an eurem geistigen Fassungsvermögen wenn ihr bei K.I.Z nicht lacht, ihr Amöben / Unendliche Weisheit und Körper aus Stahl, aber Tausende verlassen erleuchtet den Saal / Ich bin kein Großkotz, ich bin bloß Gott"), gruselig genialen Gänsehaut-Momenten à la "Verrückt Nach Dir" und Nicos Alleingang "Ariane" überrascht besonders Tareks ungeschönt vorgetragener Liebeskummer. "Freier Fall" wirkt nicht nur ehrlich verletzt, sondern umgeht weitläufig jeden Kitsch. Und trotz der ungewohnten K.I.Z.-Thematik webt sich der Song nahtlos ins Album-Gefüge ein.

Zusammen mit dem Duo Audio88 & Yassin rappen K.I.Z. über Inzest, alkoholkranke Väter und Fremden-Feindlichkeit mit der anschließenden Frage: "Was Würde Manny Marc tun?" Doch trotz klassischer Atzen-Akrobatik spiegelt dieser Track im Refrain eine messerscharfe Beobachtung unserer feierwütigen Generation Y (und der darunter) wider.

"Mit dem Atzen-Part wird es sogar noch schlimmer. Der treibt dir erst die Tränen in die Augen. Das ist ja nah dran an dem momentanen Alltag: Du ackerst monatelang darauf hin, eine Woche lang Spring Break zu feiern – für ein paar Tage deine Gefühle zu ertränken", erörtert DJ Craft in der Juice. "Die Art und Weise, wie sich Leute auf Partys freuen, zeigt doch, wie krass scheiße ihr normales Leben eigentlich ist."

Mit einem sehr aus einem Guss klingenden Sound, einem persönlichen Lied und der mal trocken-direkten und dann wieder übertriebenen Art des Vortrags entwickeln K.I.Z. sich ganz ungeniert weiter, ohne auf ihre Stärken oder auf das, was sie ausmacht, zu verzichten. "Hurra Die Welt Geht Unter" bietet eine Stunde geballte Unterhaltung ohne Ausfall, dafür mit viel Stoff zum Nachdenken, der einen oder anderen Albtraum-Vorstellung, gewitzter Kritik an dir und mir sowie der Fantasie einer Welt abseits von Zwängen, Geldgier und Überstunden. "Hater, da habt ihr den Salat"!

Trackliste

  1. 1. Wir
  2. 2. Geld
  3. 3. Glücklich Und Satt
  4. 4. Boom Boom Boom
  5. 5. AMG Mercedes
  6. 6. Freier Fall
  7. 7. Ariane
  8. 8. Käfigbett
  9. 9. Verrückt Nach Dir
  10. 10. Ehrenlos
  11. 11. Superstars feat. Sefo
  12. 12. Was Würde Manny Marc Tun feat. Audio88, Yassin & Manny Marc
  13. 13. Hurra Die Welt Geht Unter feat. Henning May

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