laut.de-Kritik

Eierkuchen für alle!

Review von

"Jeder, der grad' hier ist, wird von mir geliebt." Okay, ein bisschen wahllos tönt das schon. Aber man könnte tatsächlich weit weniger edle Ziele verfolgen, als allumfassende Liebe und Harmonie zu propagieren. Hassprediger gibt es schließlich genug. So hat sich KAAS zum Ziel gesetzt, der waffenstarrenden, Gewalt verherrlichenden, negativen Rap-Gegenwart mit allen Mitteln einen farbenfrohen Gegenpol zu verpassen. Dass er dabei selbst bis über jede Schmerzgrenze hinaus polarisiert: offenbar ein geringer Preis dafür, die große Erleuchtung mit dem Rest der Welt zu teilen.

Man darf den Vorreiter des Love Movements für weltfremd halten, sein Streben nach Glück für lächerlich und überspannt. Zweierlei lässt sich jedoch schlecht von der Hand weisen: Ein wenig mehr Eierkuchen für alle würde niemandem schaden und der KAAS'sche Masterplan zum Erreichen dieses Ziels ist der dümmste nicht.

"Pass auf, dass du Gedanken denkst, die gut sind", so lautet, unterstützt von der silbernen Stimme Vasees, KAAS' Rat in "Rendezvous Mit Einem Engel". "Denn was du denkst, das lenkt dein Leben Richtung Glück oder Pech." Auch, wenn man religiöse Erweckungserlebnisse in Zweifel zieht: Die Macht positiver Gedanken sollte auch der profanste Realist besser nicht unterschätzen. "Denn was du denkst, ziehst du an ... Jeder Gedanke ist ein Magnet." Es stimmt doch: Optimisten stehen am Ende des Tages meist besser da, und wer nett in den Wald ruft, darf sich eines freundlichen Echos nahezu gewiss sein.

Liebe, Frieden und Harmonie: Auch ... ach, was! Gerade angesichts hässlicher Umstände bleiben dies die Ideale, denen anzuhängen sich lohnt. KAAS zieht unter die allzu oft strapazierte und ausgiebig zelebrierte Jungmänner-Depression einen entschlossenen Schlussstrich. Mit Buntstiften. "Jetzt hör' mal auf mit dem Selbstmitleid", mahnt er sich selbst in "Geiles Leben". Niemals aufgeben, niemals kapitulieren heißt die neue Maxime. Das Leben ist schön.

Curse' alte Frage "Glaubst du an die wahre Liebe?", KAAS beantwortet sie, wenig verwunderlich: "Ich glaub' dran." Außerdem setzt er auf "Liebe, Sex & Zärtlichkeit", größeres Durchhaltevermögen sowie eine ausgeprägtere Fähigkeit zum "Vergeben & Verzeihen". Diese Eigenschaften würden unter Garantie die eine oder andere Beziehung retten. Tatsächlich liebevolle (!) Pornos könnten bei manch einem Konsumenten die Vorstellungen von den fleischlichen Genüssen in angenehmeres Licht tauchen. KAAS' Botschaften mögen hie und da ein wenig kitschig ausfallen, inhaltlich bleiben sie aber doch über jeden Zweifel erhaben.

Allein schon für die Idee, die "Crips, Blood & Hollywood" zugrunde liegt, möchte man KAAS küssen. Die Eier, die Handlung von Schillers "Bürgschaft" nach South Central L.A. zu verlegen, muss man auch erst einmal haben - von der erforderlichen klassischen Bildung ganz zu schweigen. Ebenso unbestritten stehen KAAS' überbordendes Talent zum Ersinnen wahlweise abgedrehter oder erschreckend realistischer Storys und seine Skills als Rapper im Raum. An der leicht quäkigen Stimme und der Neigung, in Gesang zu verfallen, scheiden sich die Geister. Dass KAAS technisch mühelos mithalten kann, werden die wenigsten bestreiten wollen.

Trotzdem: Ich verstehe jeden, dem dieser Album-Doppelschlag maßlos an den Nerven zerrt. Den ersten Teil, "Liebe, Sex Und ...", kündigte man bei Chimperator als "klassisches Rap-Album" an. Das hindert KAAS aber noch lange nicht daran, in 80er-Jahre-Pop-Ästhetik ("Mach Dir Keine Sorgen") oder gleich in schauderhafte Schlager-Gefilde (Vergeben & Verzeihen") abzudriften. Mit gesungenen Hooklines ist ohnehin allenthalben zu rechnen.

Teil zwei, "Twilight Zone", geht da beinahe ehrlicher zu Werke: "Eurodance ist für mich, stark vereinfacht: Eine Sängerin singt irgendeinen Scheiß, ein Rapper rappt irgendeinen Mist und darunter liegt ein Dance-Beat." Diese Aussage, die KAAS gegenüber den Kollegen vom Juice-Magazin tätigte, möchte man unterzeichnen. Sachlich richtig. Trotzdem hat der Rapper der Liebe ausgerechnet eine Eurodance-Platte aufgenommen. Die Beats dafür schusterte Dirty Dasmo aus genannten Versatzstücken zusammen.

"Der neue Sound, du hörst ihn und du staunst." Wohl wahr. Erstaunlich gruselig ist das, wie einen "Twilight Zone" mit Warpgeschwindigkeit in die 90er zurück katapultiert. Um die Illusion perfekt zu machen, ziehen KAAS & Co. auch noch "Pump Up The Jam" aus dem Hut und lassen Darkman Nana um die Ecke lugen. Gruselig, weil gruselig catchy. Man merkt: KAAS liebt die weithin geächtete Klangästhetik mindestens ebenso, wie ihm das Spiel mit dem zu erwartenden Ekel seiner Hörerschaft vergnügt. Außerdem betrachtet er wohl als Herausforderung, einem durch und durch debilen Genre Inhalte einzubläuen.

Operation gelungen: Begleitet von Debilo-Tanzflächenbeats sucht der Leader des Love Movements zwischen haarigen Aliens und herzförmigen Kratern den "Planet Of Love", erzählt das Gleichnis vom "Puppet Master", widmet serious like cancer Jesus einen Pop-Song oder lässt in "Sweet Mango Summer (SMS)" ein Kind verschwinden. Darin steckt großer Sport, allein es hilft nur wenig: Eurodance klang immer schlimm, klingt schlimm, und wird auch dann noch schlimm klingen, wenn dereinst wieder Regenbögen scheißende Einhornherden über die Prärie der Liebe galoppieren.

Trackliste

Liebe, Sex & ...

  1. 1. Von Mir Geliebt
  2. 2. Frau In Tansania
  3. 3. Geiles Leben
  4. 4. Liebe, Sex Und Zärtlichkeit
  5. 5. Love Vs. Hate feat. Kamp und Casper
  6. 6. Relax feat. Lean
  7. 7. Vergeben & Verzeihen feat. Doreen
  8. 8. Crips, Bloods & Hollywood feat. Moe Mitchell
  9. 9. Mach Dir Keine Sorgen feat. Glasperlenspiel
  10. 10. Rendezvous Mit Einem Engel feat. Vasee

Twilight Zone

  1. 1. Join The Lovemovement
  2. 2. Jesus Loves Me feat. Nana
  3. 3. Planet Of Love
  4. 4. Amelies Rhapsody
  5. 5. Master Of Seduction
  6. 6. Der Chef Der Bank
  7. 7. Tonight
  8. 8. The Puppet Master
  9. 9. Real Love
  10. 10. Agatha Secret
  11. 11. Sweet Mango Summer (SMS)

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"Ich erzähle Geschichten, die Kafka erzählt hätte, wenn er glücklich gewesen wäre. Geschichten deren Sinn sich erschließt, wenn man die Logik ausblendet.

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