laut.de-Kritik
Das Meisterstück einer wahrhaftig großen Rockband.
Review von Benjamin TrollBärtige Männer mit langen Haaren spielen Riffs aus der Vergangenheit. Dieses einfache Rezept sorgt bei den einen für Verzückung, bei den anderen für genervtes Augenrollen, die Retrorock-Schiene polarisiert. Oft genug kommt dabei ja auch wenig eigenständiger Brei heraus. Bei den drei Berlinern von Kadavar verhält sich das allerdings anders. Niemand sonst spielt so überzeugend mit den gängigen Klischees, keine andere Band schafft auf Basis des 70er Doom-Metal einen solch unverwechselbaren Sound.
Damit hat sich das Trio zum heißesten deutschen Rock-Export gemausert, die Doomsday Machine tourt inzwischen um die ganze Welt. Für das passende Coverfoto zu Longplayer Nummer fünf sind Lupus, Tiger und Dragon extra nach Transsylvanien gereist. Die Haare sind gemacht, die Schlaghosen gestärkt, kann losgehen!
Nach dem brachialen Vorgänger "Rough Times" genehmigt sich "For The Dead Travel Fast" zum Start eine extra Portion Atmosphäre und Mystik. "The End" ist ein klassisches Intro, sphärische Klänge und geheimnisvolle Gitarren kündigen von der baldigen Ankunft von etwas Großem.
Tatsächlich groß wird es auch direkt mit der nachfolgenden Vorab-Single "The Devil's Master". Das wabernde Soundgebilde löst sich urplötzlich in einen simplen wummernden Bass auf, der als Basis für einen klassischen Kadavar-Banger dient. Die mystische Grundstimmung bleibt bestehen und ein feines Solo rundet die ganze Sache ab. Klasse Start!
Wie weit Kadavar ihre Doom-Wurzeln in der Tradition von Black Sabbath inzwischen fortentwickelt haben, zeigen sie auf "Evil Forces". Mit ordentlich Bums rollt der Song unaufhaltsam voran. Auffällig erscheint der Sprung in der Variabilität in Kadavars Spiel und Songwriting. Lupus hat in der Zwischenzeit wohl den Ronnie James Dio-Gesangskurs besucht und überrascht mit überzeugendem Falsett.
Deutlich mystischer geht "Children Of The Night" ans Werk. Der Song bedient sich gar spaciger Synthies, um eine tiefe Spannung aufzubauen. Kadavar hatten schon in der Vergangenheit ab und an die eher ruhigen Töne für sich entdeckt, ein derart ausgeklügelter und überzeugender Mix aus Power-Ballade und Psychedlic-Trip zeigt den großen Sprung, den die Band in ihrer Entwicklung hingelegt hat.
In eine ähnliche Kerbe schlägt "Dancing With The Dead". Erwachsener und überlegter klingen die Berliner, die Produktion nimmt das Schlagzeug etwas weiter zurück als noch auf den Vorgängeralben, der geheimnisvolle Retro-Vibe würde auch auf einen Tarantino-Soundtrack passen. Gewohnter geht es anschließend auf "Poison" zur Sache. Mit gesteigertem Tempo und einem stimmungsvollen Riff rauscht die Nummer gut nach vorne. Die Ohrwurm-Hook und der abwechslungsreiche Spannungsbogen zeigen auch hier eine neue Seite der Band, speziell Lupus' Entwicklung als Sänger wird einmal mehr deutlich.
Kadavar hauen aber nach wie vor mit experimentellen und psychedelischen Klängen ordentlich auf den Putz. "Demons In My Mind" schöpft aus dem vollen Heavy-Psych-Repertoire. Freunde von fetten Riffs, abgehoben-verzerrten Soli und Tigers explosiven Schlagzeugspiel kommen hier voll auf ihre Kosten. Im krassen Kontrast dazu steht "Saturnales", eine melancholische und stimmungsvolle Ballade, die in dieser Form auf einem Kadavar-Album überrascht, mit Einsatz von Cello sowie traurigen aber mitreißenden Harmonien aber perfekt in die düstere und geheimnisvolle Stimmung des Albums passt.
Traditionell endet ein Kadavar-Album immer mit einem großen Finale. Auch "For The Dead Travel Fast" bildet hier keine Ausnahme. "Long Forgotten Song" zeigt auf fast acht Minuten Spielzeit einen kompletten Rundumschlag über alles, das diese Band ausmacht. Den ruhigen und atmosphärischen Beginn löst alsbald ein klassischer Rocker ab, die Grundstimmung bleibt aber auch hier vergleichsweise melancholisch. Mit einem ausufernden Solo und einem letzten Refrain lassen die drei Berliner das Album schließlich ausklingen.
"For The Dead Travel Fast" überrascht absolut positiv. Vor allem mit seiner melancholischen und geheimnisvollen Grundstimmung, aber auch mit Abwechslungsreichtum und einem deutlichen Sprung in Eigenständigkeit und Anspruch. Dieses Album ist der logische nächste Schritt einer Band, die die wilden Jahre hinter sich hat und an ihrem Vermächtnis als wahrlich große Rockband arbeitet. So ist "For The Dead Travel Fast" Kadavars (bisheriges) Meisterwerk geworden.
3 Kommentare mit 2 Antworten
Ist ja schon schade, daß sie die klassische Rockschiene bedienen, die ja eigentlich gar nicht ihr Ding war. Der Erfolg vermasselts halt oft.
Ich würd's mir ja in voller Länge anhören, wenn ich mit dem Gesang klar käme.
Ich dachte schon ich wäre alleine mit dem Problem.
Bist du nicht, ich kann den Gesang auch nicht ab. Wie auch bei Black sabbath mit Ozzy.
Gefällt mir richtig gut...Oldschool Metal ala Sword!