laut.de-Kritik
Raue Zeiten erfordern raue Töne.
Review von Jürgen LugerthUnter all den vielen Vintage Rock-Bands, Retro-Jüngern und Seventies-Epigonen der letzten Dekade haben sich die drei Berliner Mattenträger mit den herzigen Tiernamen Lupus, Tiger und Dragon, kurz Kadavar, inzwischen einen respektablen Ruf erworben. Auch die Produktivität der Gruppe lässt wenig zu wünschen übrig. Das neue Lärm-Opus "Rough Times" ist bereits das vierte Album seit 2012.
Als Kadavar vor einigen Jahren im Konstanzer Kulturladen spielten, haute ich noch vor Ende des Gigs ab. Einem notorischen Alt-Rocker wie mir kam vieles, was da gespielt wurde, ziemlich bekannt vor. Nur, dass es insgesamt immer etwas schlechter klang als das, was in der umfangreichen Old School-Plattensammlung aus den Siebzigern zuhause liegt. Das mag auch eine Frage der Tagesform gewesen sein. Andere fanden das Konzert geil.
Inzwischen haben sich Kadavar songtechnisch spätestens seit ihrem dritten Album "Berlin" gestrafft und stießen in die Charts-vor. Irgendwie scheint das die Band aber nicht so richtig zufrieden zu stellen, denn mit ihrer neuen Platte machen sie so etwas wie einen U-Turn und kehren wieder zurück in ihre lauten, wilden Anfangstage.
Hit-Potenzial hat diese Scheibe weniger, dafür einen Haufen Reminiszenzen an Bands, die vor 30 bis 40 Jahren hingebungsvoll und oft selig berauscht vor sich hin lärmten. Namedropping gefällig? Da haben wir etwa Dust, Blue Cheer, Grand Funk Railroad, Stray, Steamhammer, natürlich Hawkwind und unvermeidlich auch ab und zu Black Sabbath. Kadavar können das schon nicht mehr hören.
Schlimm ist das trotzdem nicht. Es ist sogar ehrenhaft, dass das Trio diesen Sound am Leben erhält und ihn praktisch auf originalem Equipment und mit der früher üblichen Aufnahmetechnik verwirklicht. Auch der Band-Schriftzug und das Cover der neuen Scheibe atmen Seventies-Spirit fast bis zur Selbstaufgabe. Authentisch, das ist das Zauberwort in dieser heutigen, völlig unauthentischen Welt. Fein.
Was den Sound der alten Tage bei Kadavar aber erweitert, ist eine teils unerbittliche Stoner- und Doom-Kante, die eindeutig darauf hinweist, dass die Hippie-Blütenträume längst geplatzt sind. Das Titelstück, das folgende "Into The Wormhole" und der gewalttätige "Skeleton Blues" sind lautstarke Reaktionen auf die rauen Zeiten von heute.
"Die Baby Die" hingegen gibt sich trotz des fiesen Titels etwas gefälliger, "Vampires" erinnert ein wenig an psychedelisch aufgebohrte Ten Years After und das spacige "Tribulation Nation" treibt sich im Hawkwind-Universum herum.
Mit "Words Of Evil" haben Kadavar dann doch wieder Tony Iommi und Freunde an der Arschbacke, aber auf den letzten drei Stücken lassen es die Jungs dann etwas ruhiger angehen. Man kann ja nicht nur powern. Spätestes bei "A L'Ombre Du Temps" dürfte dann der eine oder andere Joint kreisen. Aber vorsichtig ziehen, sonst gibt es ein böses Erwachen!
1 Kommentar mit einer Antwort
Hab die mal live gesehen. Sicherlich gute Musiker und wahrscheinlich auch sympathisch, aber mehr als Nostalgie und Retro-Feeling sehen ich bei denen nicht.
Hä Hä @Olivander. Da hast du sicher Recht. Ist aber gerade ein wenig Trend siehe auch Blues Pills. Habe Kadaver auch Live gesehen ,.. der Schlagzeuger erinnert mich an Animal von der Muppetshow,.. das Schlagzeug wurde entsprechend auch weit vorne aufgebaut, krass. Da schon ein wenig älter bin kann ich mich auch noch sehr gut an die Orginale der 70er erinnern.