laut.de-Kritik
Entfesselter Feiersound, wie für die Bühne gemacht.
Review von Simon LangemannVon der Clubbühne zum Deutschen Filmpreis und zurück: Robert Gwisdek führt ein interessantes Doppelleben. Zwischen den deutschlandweit gefeierten Shows als MC und der Schauspielerei findet sich aber anscheinend immer noch genug Platz fürs Schreiben. Nur ein Jahr nach der vom großen Bruder Shaban produzierten "Zähmung der Hydra" beschert er der Deutschraplandschaft nun eine äußerst erfrischende "Expedition Ins O".
Sein größter Zugewinn im Vergleich zum elektronisch produzierten Debüt: Zweifellos die grandios betitelte Backup-Combo Die Tentakel Delphi. Der Bandname klingt nach grenzdebilem Humbug - das musikalische Ergebnis nach Low Budget, wilder Entschlossenheit und sprudelnder Kreativität. Live spielten sich die fünf Freigeister bereits eine ganze Weile ein, mit ihrer ersten gemeinsamen Platte entstand eine charmant und großteils akustisch produzierte Fusion aus Funk-Rock und Alternative.
"Der Anfang Ist Nah" gab zwar eine hervorragende Vorabsingle her, sticht aus dem Gros an stimmungsvollen Grooves aber nicht mal ansatzweise heraus. "Champagner & Schnittchen" tischt der Käptn zu entfesselten Feiersound auf, "U-Boot" wächst nach und nach zu einem amtlichen Rock-Song heran. Über die gesamte Dauer weckt die "Expedition Ins O" in erster Linie einen Wunsch: Dieses Spektakel alsbald auf der Bühne zu erleben.
Denn selbst im Tempo gedrosselte Tracks wie "Monster", "Oha" und das an staubtrockenen Wüstenrock erinnernde "Absolem" klingen eher nach versehentlich angezogener Handbremse als nach entspannter Vergnügungsfahrt.
Immerhin eine kurze Verschnaufpause beschert dem Hörer die "Trash-Punk-Rap-Shit-Begleitcombo", wie sie Robert gegenüber der taz einmal nannte. Und was für eine: "Liebes Leben" tönt mit meditativ-reduzierter Ostinato-Bassline und von Besen verwöhntem Drumset. Käptn Peng singt im Rahmen seiner Möglichkeiten, wirft mit liebenswerten Metaphern um sich und rollt mal eben die Schöpfungsgeschichte neu auf. "Milliarden Jahre später ham' wir den Salat."
Die zumindest ein wenig ernster gemeinte Langform dieser Existenzfrage folgt direkt im Anschluss in Form der "Sockosophie". Der aus Hip Hop-Sicht wohl konventionellste Midtempo-Beat unterlegt eine stellenweise als Dialog umgesetzte Rückkehr "an den Ursprung des Ursprungs des Ursprungs des Ursprungs, (...) den sogenannten Eisprung des Ursprungs."
Gerne teilen die Medien die deutsche Hip Hop-Kultur derzeit in freundliche Hipster-Musik und prolliges Streetrap-Revival auf. Käptn Peng schippert mit seiner Die Tentakel Von Delphi weder zwischen den Strömen, noch dagegen, sondern fernab in anderen Gewässern. Und dennoch scheint vorprogrammiert, dass diese enthusiastische Bagage früher oder später ins Herz schließt, wer einerseits auf Deutschrap abfährt und sich andererseits mit Gwideks speziellem Humor anfreunden kann.
5 Kommentare
Ist das Neunziger. Irgendwie muss die ganze Zeit an Der Tobi und das Bo denken. Und ein bisschen an Kinderzimmer Productions.
was ja beides nicht die schlechtesten referenzen sind. mir ist das - dem großartig blöden bandnamen zum trotz - aber halt einfach zu ... nett.
@SK jupp, das passt! Kommen 15-20 Jahre zu spät die Jungs. Auf Albumlänge is mir sowas inzwischen auch zu albern, oder vielleicht auch zu nett wie @freddy sagt.
Die Zähmung der Hydra hat mich irgendwie mehr angesprochen hauptsächlich textlich, aber iwie auch musikalisch.. aber live kann man sich das bestimmt geben, und zufriedenstellend ist diese Scheibe alle mal, Diskurs-Pop-Rap ist ja eig. fast immer gut
@cldkckr:
dann hast du das konzept hinter dem käptn nicht verstanden...endlich mal was erfrischendes und cleveres aufm Markt! ein Mann der was zu sagen hat und sich nicht hinter ner billigen Proll-Attitüde verstecken muss!