laut.de-Kritik
Goethes Faust goes Power Metal.
Review von Michael EdeleUm eines mal gleich vorne weg zu nehmen: kauft euch die neue Kamelot nur dann, wenn ihr euch wirklich des Öfteren die Zeit nehmen könnt, euch 52 Minuten lang hinzusetzen und mit dieser CD zu beschäftigen. Alles andere wird "Epica" nämlich nicht gerecht.
Johann Wolfgang von Goethes Faust stand also Pate bei der textlichen Inspiration zu "Epica", warum nicht. Kätchen würde sich zwar sicherlich wundern, was für ne scharfe Schnitte sie auf dem Cover geworden ist, aber egal. "Epica" könnte für Kamelot dasselbe werden, wie für Dream Theater ihr "Scenes From A Memory". Der Vergleich mit den Proggies aus New York kommt nicht von ungefähr. Was die eher eingängigen Songs angeht (zugegeben, davon gab's auf "Scenes ..." nicht allzu viele, aber denkt doch mal an "Images And Words"), können Kamelot beinahe gleichziehen.
Durch einige kurze Intermezzi aufgelockert, nimmt einen das Quartett aus Florida mit auf die Reise von Ariel, der auf der Suche nach Wahrheit und Ausgeglichenheit seine Seele an den Teufel verkauft, da er sich von Gott nicht viel Hilfe erwartet. Damit kann er jedoch bei seiner Geliebten Helena nicht punkten, die daraufhin erst ihr Kind und dann sich selbst tötet und letztendlich bei Gott landet (was nach einer Todsünde wie Selbstmord ja gewöhnlich eher selten klappt), während Ariel seine Klamotten in der Hölle wäscht und trocknet. Musikalisch sind die einzelnen Parts gekonnt verbunden und schaffen es problemlos, den Hörer durchgehend zu fesseln.
Von zügigen Songs wie "Center Of The Universe" oder "Farewell" über wunderschöne Balladen wie "Wanderer" bzw. "On The Coldest Winter Night" bis hin zu dem kraftvollen "The Mourning After" hat "Epica" das volle Programm zu bieten und schreckt auch vor ungewöhnlichen Instrumenten wie Akkordeon nicht zurück, was mich spontan an "Liaison De La Morte" von Cirrha Niva erinnert. Was die zahlreichen Gastmusiker angeht, so sticht natürlich Titania-Sängerin Mari heraus, die nicht nur bei "Helenas Theme" ihre tolle Stimme unter Beweis stellt. Zwar steht mit Luca Turilli (Rhapsody) ein weiterer bekannter Musiker auf der Liste, doch dessen Solo in "Descent Of The Archangel" ist nicht unbedingt das Maß der Dinge.
"Epica" trägt seinen Titel mit Sicherheit zu Recht und schafft es, nicht zuletzt dank Sänger Kahn, aus der Masse des ohnehin überschwemmten Power Metal-Sektors, heraus zu stechen. Auch wenn diese CD Zeit fordert, sie ist es allemal wert.
1 Kommentar
Definitiv ein gelungenes Album, doch eine Anmerkung zum Review:
Ich frag mich wo bei Faust ein "Kätchen" auftaucht? Wäre dann doch eher Gretchen...
Jedenfalls ein klasse Album in Kamelot-Manier