13. August 2015
"Wir können davon nicht leben"
Interview geführt von Simon LangemannMan könnte meinen, Kante seien am Höhepunkt ihres Schaffens in der Versenkung verschwunden. Wie umtriebig Songwriter Peter Thiessen und seine Mitstreiter seither jedoch außerhalb der klassischen Strukturen wirkten, davon zeugte zuletzt die Theatermusik-Compilation "In Der Zuckerfabrik", gefolgt von einer Hand voll Konzerten.
Sind die Hamburger damit zurück auf dem Radar? Wie geht es langfristig mit Kante weiter? Und wie lebt es sich eigentlich so als Theatermusiker? Wir fragten Gitarrist Felix Müller und Drummer Sebastian Vogel am Tag nach ihrem Auftritt beim Heimspiel Knyphausen.
Ihr seid die letzten Jahre kaum getourt. Wie sehr fühlen sich Konzerte wie das heutige nach Rückkehr an?
Sebastian: Nicht mal nach einer richtigen Rückkehr. Ich glaube, bevor wir diese Theatermusik für "In der Zuckerfabrik" aufgenommen und rausgebracht haben, haben wir im September 2011 das letzte reguläre Bandkonzert gegeben. Dann kam über Kontakte zu Paul Tischer von Theater der Zeit irgendwie die Möglichkeit zustande, eine Auswahl an Theatermusik rauszubringen, die wir über die Jahre geschrieben haben. Einen Teil hatten wir sogar schon mal aufgenommen, die neueren Sachen haben wir dann noch eingespielt. Nur in dem Zuge spielen wir jetzt mal wieder ein paar Konzerte. Aber es ist nur eine Hand voll. Man kann das nicht als Rückkehr bezeichnen, weil es auch sofort schon wieder vorbei ist.
Felix: Andererseits war es schon auch die Idee, mal wieder ein bisschen rauszukommen. Und dass man danach auch hoffentlich wieder dranbleibt. Mal sehen.
Immerhin verspricht euer Wikipedia-Eintrag mit Bezug auf Peter Thiessen, dass es nach "In der Zuckerfabrik" mit neuem Album und Tour weitergeht.
Sebastian: Ich weiß nicht. Natürlich ist es nach langer Zeit mal wieder die Band. Wir haben ja überwiegend gar nicht als ganze Band Theatermusik gemacht, sondern in Teilbesetzungen und mit Gastmusikern. Aber irgendwie ist auch klar, dass dieses Theatermusik-Album nicht dafür taugt, ein langfristiges Ding zu starten. Sondern da fehlt einfach ein richtiges Album.
Es fehlt - das heißt, es ist in Planung?
Sebastian: Ja, seit ungefähr sechs Jahren. Aber es kommt nicht so richtig dazu, weil es einfach sehr, sehr aufwändig ist, es überhaupt zu entwickeln, proben und aufzunehmen. Man muss dafür wahnsinnig viel Zeit und Geld auftreiben. Auf der anderen Seite kriegen wir immer mal wieder Anfragen für Theaterproduktionen. Und da ist dann klar: Die geht jetzt acht Wochen und gibt so und so viel Geld. Natürlich kann man nicht einfach drei Produktionen absagen. Das ist das Dilemma, das wir haben.
Da war die "Zuckerfabrik" jetzt eine Chance, weil das auch irgendwie ein konkreter Plan war, der nicht so viel Investitionen gefordert hat. Das Label hat ein bisschen Geld gegeben, wir haben ein bisschen was reingesteckt: Das war relativ schnell gemacht. Weil die Musik ja fertig war. Da war ganz klar, worum es geht und wie man es hinbekommt. Es ist dagegen nach wie vor ein bisschen unklar, wann und wie wir die Zeit finden werden, die Band wieder zurückzubringen, mit einem neuen Album und mehr Konzerten.
Was ich mich gestern gefragt habe: Musstet ihr die alten Kante-Stücke viel proben? Die Theaterstücke waren ja wahrscheinlich noch eingeübt.
Felix: Eigentlich würde ich sagen, dass die Theatermusik fast aufwändiger war, weil wir das meiste wie gesagt nicht in der richtigen Bandbesetzung gespielt hatten. Die mussten wir dann halt noch mal umarrangieren. Bei den alten Stücken waren wir dagegen selbst immer wieder überrascht, weil wir immer denken: Oh Gott, ich weiß überhaupt nichts mehr. Und dann setzt man sich hin, spielts zwei mal, und denkt: Ach, klar. Stimmt ja.
Sebastian: Es war echt total unkompliziert, die alten Stücke wieder zu aktivieren, auch wenn wir die teilweise sechs Jahre nicht gespielt hatten. Das war total einfach. Haben wir vorher wahrscheinlich nicht so gedacht. Aber man hat die viel gespielt, der Körper erinnert sich daran. Man spielt sie drei mal mit ein paar Fehlern - aber dann hab ich sogar das Gefühl, ich spiele sie besser als auf der "Die Tiere Sind Unruhig"-Tour. Obwohl wir sie da jeden Tag gespielt haben. Das ist so ein Gefühl. Vielleicht auch, weil es nach langer Zeit so Spaß macht.
Denkt man als Band, die neun Jahre lang kein Album veröffentlicht hat, viel darüber nach, in Vergessenheit geraten zu sein? Gestern waren ja durchaus ein paar Fans da, die einiges mitgegröhlt haben.
Sebastian: Ja, das war toll. Das passiert nicht jedes mal. Das war gestern ein extrem schönes Konzert für uns. Es war schön zu sehen, dass es Leute gibt, die da echt Bock drauf haben, und sich freuen, es endlich mal wieder zu sehen.
Der Name Kante ist ja schon noch irgendwie da. Aber eben hauptsächlich bei Zeitgenossen von damals.
Sebastian: Es ist natürlich klar, dass man gewissermaßen in Vergessenheit gerät. Das merkt man natürlich auch. Dass es einfach gerade keine aktuelles Thema ist, und dass es schwierig ist, die Leute wieder damit zu erreichen. Wenn wir jetzt alle zwei Jahre ein Album rausgebracht hätten, das jeweils an den Erfolg angeknüpft hätte, dann wäre auch mit dieser aktuellen CD etwas anderes passiert, als dass man irgendwie seine 3.000 Leute erreicht.
In welchem Fall ist die Existenz eigentlich gesicherter - als Theatermusiker oder als Bandmusiker?
Felix: Wir haben ja fast immer mit einer Regisseurin [Friederike Heller, d.Red] gearbeitet, die auch voll auf uns gesetzt hat. Zwar in unterschiedlichen Konstellationen oder Größen, aber auf Peter ist sie immer wieder zurückgekommen. Er hat dann geguckt: Okay, was soll das für Musik werden? Wie ist das Budget? Wie viel Leute kann man da mit reinnehmen? Was soll das werden?
Das Budget ist natürlich größer als wenn man heutzutage zu einer Plattenfirma geht und sagt, man wolle eine Platte machen. Dann sagen die: Joa, mach doch mal. (lacht) Vor 20 Jahren haben sich Major-Labels auch noch so Indie-Bands geangelt und gesagt: Hier. 140.000 Mark. Mach mal. Das wird bestimmt irgendwie gut. Solche Vorschüsse gibt's ja eigentlich nicht mehr. Jedenfalls würden sie in unserer Größenordnung nicht ausreichen, um eine Platte voll davon zu bezahlen.
Aber beim letzten Album gab es das schon noch, oder? Ihr wart ja bis zum Schluss beim Major-Label.
Sebastian: Stimmt. Die "Tiere".
Wobei EMI Labels ja auch ein Sonderfall war, der viele Indie-Bands gesignt hat.
Sebastian: Ja, stimmt. Labels hat tatsächlich viele Indie-Bands gesignt.
... und ist dann Pleite gegangen.
Sebastian: Stimmt, genau daran (lacht). Das war ja zu einer Zeit, als die Majors immer noch gedacht haben: Wir machen jetzt ein paar Sub-Labels für Indie-Bands. An Labels hatte die EMI aber nach dem Starterfolg von Wir Sind Helden trotzdem die Erwartung: Wenn drei Bands nicht so funktionieren, ist das okay, aber die vierte Band muss dann derartig durchstarten. Und das hat natürlich nicht geklappt. Deswegen hat das Label unter den Gesichtspunkten der Majors nicht funktioniert.
Aber ihr habt damals ja schon ganz ordentlich verkauft.
Felix: Aus heutiger Sicht schon, ja. Ich wollte noch kurz etwas zu der Frage nach der Sicherheit sagen: Wenn man immer mit derselben Regisseurin etwas macht, ist man natürlich auch darauf angewiesen, dass sie noch Bock drauf hat. Daher sind wir auch jetzt in einer gewissen Abhängigkeit. Wenn sie irgendwann entweder keinen Bock mehr hat, das mit uns zu machen, oder vielleicht sogar generell aufs Theater, dann ist man halt irgendwie im Leeren. Das kann immer passieren.
Sebastian: Ja. Man kann für die Band, die wir jetzt zu fünft oder sechst bilden, nicht davon reden, dass das am Theater irgendeine Sicherheit bietet. Da kann man nur sagen: Für Peter ist es in den letzten Jahren die Chance gewesen, vom Musikmachen zu leben. Und für Felix und mich, die überwiegend dabei sein konnten, war es zwischendurch auch immer schön, so etwas mitmachen zu können. Dann weiß man: Man hat für die und die Monate sein Einkommen. Das ist einfach so.
Man muss auch sagen: Wir haben noch nicht sonderlich viel dafür getan, mit anderen Regisseuren zu arbeiten. Friederike und Peter verstehen sich auf einer Ebene so gut, dass sie ihn jedes Mal aufs Neue fragt. Natürlich könnte man aber auch mal nach anderen Leuten gucken. Als Band kann man von Sicherheit aber so oder so nicht reden, selbst wenn wir alle zwei oder drei Jahre ein Album rausbrächten. Wir können davon nicht leben. Wenn wir dann irgendwann mal nach monatelanger Arbeit eine Woche auf Tour gehen, haben wir vielleicht mal Geld für sechs Wochen. Was soll das für eine Sicherheit sein? Das kann man eigentlich nur aus Spaß machen.
"Bei 'Zombi' waren wir alle komplett ratlos"
Abseits von Geld und so weiter fragt man sich natürlich: Wenn eine Band vier Alben in acht Jahren rausbringt und dann plötzlich das Schreiben einstellt, fehlt da nicht etwas?
Felix: Das ist auf der einen Seite so passiert. Auf der anderen Seite hatte es auch mit persönlichen Veränderungen zu tun. Die meisten von uns haben Kinder gekriegt, und wenn dann auch noch solche Projekte da sind, ist es nicht mehr so leicht, sich die entsprechenden Freiräume und die Zeit zu nehmen - und zu überlegen: Was will ich eigentlich machen, was interessiert mich? Das macht man dann ja erst mal in einen leeren Raum hinein, investiert viel Zeit und hat erst mal nichts davon, von dem man sich irgendwas kaufen könnte. Auch dem ist es ein Stück weit geschuldet.
Sebastian: Die Ironie dabei ist ja, dass wir so viel auf Bühnen gespielt haben wie nie zuvor. Nur dass halt das Publikum ein anderes ist. Wir haben wahnsinnig viel Musik gemacht - zumeist eigene Musik. Wenn mit Texten, dann mit fremden, aber auch das ist eine Herausforderung.
Wo setzt man denn da an? Erarbeitet ihr das im Kollektiv?
Sebastian: Nee, wir arbeiten eigentlich schon ziemlich lange nicht mehr im Kollektiv als Entwicklungsband. Die allermeisten Kompositionen macht Peter. Er bekommt quasi die Anfrage und arbeitet sich erst mal komplett ein. Er holt sich ohne Ende Literatur zum Text. Und bevor es mit den Proben losgeht, weiß der Dramaturg auch nicht mehr.
Also die völlige Freiheit. Da redet niemand mehr rein?
Felix: Wenn, dann macht das die Regisseurin, und sagt: Ich hab mir eigentlich eher was anderes vorgestellt. So was gibt's dann schon. Wenn man am Theater arbeitet, macht man ja Musik nicht nur, um sich ein Lied auszudenken. Man hat ja eine Funktion. Das ist der große Unterschied. Man macht Musik, die Teil von etwas anderem ist, das man stützen muss - in eine gewisse Richtung, die man selbst gar nicht bestimmt. Dafür gibt es den Regisseur oder die Regisseurin. Dann kann man aber natürlich diskutieren und gute Argumente anbringen.
Also entweder von Null anfangen oder seine Sachen durchprügeln.
Felix: Seine Sachen durchprügeln (lacht).
Sebastian: Ja, aber das gelingt uns eigentlich immer ganz gut. Peter setzt sich erst mal intensiv mit dem Stoff auseinander, und denkt sich dann aus, was die Musik dem hinzufügen könnte. Dann gibt es eine Art Vorgespräch darüber, welche Texte überhaupt vertont werden sollen. Oft sind das auch Fremdtexte, die Peter oder Friederike gefunden haben. So kamen zum Beispiel bei Dostojewskis "Dämonen" Texte von Thomas Brasch oder Baudelaire mit rein.
Kante früher - wenn man etwa an die Platte "Zombi" denkt - stelle ich mir in etwa so vor, dass die Hälfte der Songs durch klassisches Songwriting und der Rest durch Improvisation entsteht. Es wurde schließlich viel zwischen Jazz und Indie-Rock hin- und hergependelt. Liege ich da richtig?
Felix: Ähm. Eigentlich war schon alles Songwriting-basiert. Okay, bei "Zombi" meinst du wahrscheinlich die Sachen wie "Baron Samedi" und "New Babylon". Die sind in einer Art arrangiert, in der es zumindest Freiräume für Solopassagen gibt.
Sebastian: Also bei der "Zombi" gab es tatsächlich noch relativ viel Band-Improvisation für einzelne Songbausteine. Aber die "Zombi" ist wirklich ein Extremfall.
Felix: Ja, weil sie gleichzeitig halt auch die totale Studioplatte ist. Ich hab jetzt gerade erst mal daran gedacht, wie wir die Stücke live gespielt haben. Da gab es dann den und den Part, dann Freiraum für ein Solo, und dann kam noch mal der Part - oder so was in der Art. Auf der anderen Seite war's aber natürlich so, dass da im Studio sehr hart gearbeitet wurde.
Sebastian: Die Platte war ein Wendepunkt für die Band: weg von der kollektiven Arbeit, hin zur Hauptverantwortung des einzelnen Songwriters. "Zombi" war noch der Versuch, das als Band zusammen zu machen. Aber wir sind damit im Endeffekt an einem gewissen Punkt gescheitert. Also, es ist eine ganz, ganz tolle Platte geworden. Aber der Prozess war wahnsinnig anstrengend. Peter hatte die Grundideen für viele Stücke, und dann haben wir viel ausprobiert, improvisiert und Vorschläge entwickelt. Wir sind damit aber bei kaum einem Song zu einem Ergebnis gekommen. Wir hatten immer halbfertige Sachen und waren alle komplett ratlos, wie wir das überhaupt zu Ende bringen sollen. Dann hat sich Tobias Levin mit eingeschaltet, der Produzent der Platte.
Felix: Dann haben wir auch vorsätzlich unfertige Sachen genommen, und gesagt: Komm, wir vertrauen jetzt einfach darauf, dass Tobias einen tollen musikalischen Geschmack hat, gehen ins Studio und schauen, was damit passiert. Und dann haben wir geguckt.
Sebastian: Ja. Dann haben wir komisch geguckt (lacht). Nee, es ist eine tolle Platte geworden. Es ist, glaube ich, immer noch meine Lieblings-Kante-Platte.
Dabei habt ihr gestern nur zwei Songs davon gespielt. Ich hatte generell die Vermutung, dass ruhigere Stücke live schwerer fallen. Oder dass die lauteren von "Die Tiere Sind Unruhig" nach so langer Zeit einfach leichter von der Hand gehen als etwa "Im Ersten Licht" von "Zweilicht".
Sebastian: "Im Ersten Licht" passt auch einfach gerade nicht so. Das ist für uns im Moment nicht mehr so interessant. Auch wenn es damals auf dem Album ein toller Song war. Aber das ist für das, was wir seitdem gemacht haben, nicht mehr so interessant. Da kann man "Zombi" oder "Die Summe Der Einzelnen Teile" besser einbinden.
"Gerade höre ich viel Frank Ocean und Kendrick Lamar"
Wie eine neue Kante-Platte jetzt klingen würde, hinge wohl auch damit zusammen, was ihr die letzten Jahre so gehört habt.
Felix: Ich glaube, wir hören alle sehr viele verschiedene Arten von Musik. Peter hört ganz viele Sachen, die ich überhaupt nicht höre. Nicht weil ich sie scheiße finde, sondern weil es gar keine Gebiete sind, in denen ich mich aufhalte. Ich habe in den letzten fünf, sechs Jahren die Band Wilco für mich entdeckt und sehr schätzen gelernt. Gerade hör ich mal wieder mehr Hip Hop und R'n'B. Frank Ocean. Miguel. Kendrick Lamar.
Sebastian: Aber ob und wie man daraus was für Kante machen würde? Das weiß man einfach gar nicht. Das ist im Moment ziemlich offen. Zuletzt haben wir uns wieder intensiver mit Tuareg-Musik auseinandergesetzt. "Das Erdbeben Von Lissabon" ist auch ein bisschen davon inspiriert. Ich weiß nicht, ob sich das vielleicht auch noch auf eine Art fortsetzt. Vor allem bei Peter gibt es immer noch ein starkes Interesse an afrikanischer Musik. Ich glaube, dass das in jedem Fall eine Rolle spielen wird.
Schreibt Peter denn schon wieder Texte?
Felix: Ich glaube, er findet da gerade mehr und mehr wieder rein.
Und damit steht und fällt das Ganze ja, oder?
Felix: Ja, tatsächlich. Also, es ist jedenfalls gerade der Plan, dass erst mal Texte da sein sollen, bevor man Musik dazu macht.
Wie ist der weitere Plan für 2015? Spielt ihr noch weitere Festivals oder war das jetzt die Ausnahme?
Felix: Wir spielen übermorgen noch ein Konzert in Würzburg. Aber eine Ausnahmeband gibt nur Ausnahmekonzerte (lacht). Danach noch mal in Berlin am 29.9. im Deutschen Theater.
Sebastian: Da haben wir den Saal als Konzertbühne. Das könnt ihr gerne schon mal ankündigen, das wird toll. Da wollen wir auch nochmal die Theatermusik so aufführen, wie wir es in der Volksbühne und im Hamburger Schauspielhaus gemacht haben. Mit Trommeln, Percussion, Flügel und so.
Felix: Noch mal groß auffahren, bevor dann die ganze Requisite eingemottet wird. Wie es am Theater ist: Das kommt dann alles in Containerboxen, und die kommen dann ins Lager. Und da liegt es dann für 30 Jahre.
Was ich mich persönlich schon immer gefragt habe: Wieso heißt der letzte Song von "Zweilicht" eigentlich "Live At The Electric Avenue"?
Felix: Das kam ein bisschen daher, dass wir eine ziemlich gute Zeit im Studio hatten. Der Text handelt aber von so einem Typen, der mit Musik oder was auch immer durch die Gegend geistert und hier und da mal auftaucht. Das Studio von Tobias Levin heißt ja Electric Avenue. Und Peter fand das Bild von der elektrisierenden Straße irgendwie passend.
Stücke live im Studio einzuspielen, spielt bei euch eine sehr große Rolle, spätestens seit der Arbeit mit Moses Schneider an "Die Tiere Sind Unruhig". Seid ihr davon noch mal abgekommen, oder wird das für immer euer Ding bleiben?
Felix: Das wissen wir noch nicht. Wir haben schon mal darüber gesprochen, aber beschlossen: Lass uns erst mal gucken, was das für Musik werden soll, und dann entscheiden, ob es sinnvoll ist. Oder ob das was Großes, Opulentes, Vielschichtiges sein soll, wo es dann auch gerade toll sein kann, einzelne Overdub-Schichten aufzunehmen.
Sebastian: Also richtige Live-Alben sind ja eigentlich nur "Die Tiere Sind Unruhig" und "Rhythmus Berlin". Die anderen sind ja total Studioproduktionen.
Wobei "Die Tiere Sind Unruhig" für Moses Schneider-Verhältnisse ja auch sehr opulent kriegt, finde ich.
Sebastian: Ja, da kamen dann schon noch Overdubs dazu, aber wir haben auf jeden Fall die Basics zusammen eingespielt.
Euer Stück "Donaudelta" hat uns als Ohrwurm durch den Festivaltag verfolgt. Wann weiß man als Band eigentlich, dass das Lied genial ist? Das merkt man ja nicht unbedingt, wenn man den Text liest.
Felix: (Lacht) Ach, wir spielen den eigentlich vor allem deswegen, weil er irgendwie Spaß macht. Weil er wahnsinnig einfach ist, aber gerade darin so was rührend Schönes hat. Der Text ist ja auch so ganz, ganz einfach. Ich glaube, entweder merkt man es tatsächlich, und denkt sich: Was für ein tolles Lied ich mir da gerade ausgedacht habe! Oder man merkt es an den Reaktionen. Oder wenn man zusammenspielt.
"Wenn Ich Dich Begehre Gegen Jede Vernunft" ist für mich auch so ein Geniestreich.
Felix: Ja, aber gerade bei einem fremden Text berührt es einen schon von Anfang an. Wenn man selber schreibt und sich einen abbricht, ist das anders. Wenn man aber so ganz einfache Sachen liest, die total funktionieren, denkt man sich oft so: Ach, so ...
Sebastian: Oft merkt man es dann schon an den Reaktionen der Leute. Man macht das halt so, und dann kommen Leute wie ihr und sagen: "Donaudelta", das ist ja so schön!
Felix: Stimmt, ich dachte bisher gar nicht, dass das so ein Wahnsinnssong ist.
Vielleicht liegt es tatsächlich nur daran, dass es einer der simpleren ist.
Felix: Ja, und er ist ja umgeben von so Brocken wie den "Antigone"-Sachen. Und dann kommt auf einmal: la la la. Fertig (lacht).
Es ist halt Popmusik. Aber trotzdem schön.
2 Kommentare mit einer Antwort
ich weiss nicht. ich hab das jetzt gelesen... einerseits ist es natürlich schade, dass sie nicht von ihrer musik leben können bzw ihnen das geld für aufnahme einer neuen lichtscheibe fehlt. auf der anderen seite war es noch nie so billig und möglich platten rauszubringen wie es heute der fall ist. selbst sehr dubiose gruppierungen, die ich hier namentlich lieber nicht erwähne, veröffentlichen. zum teil regelmäßig und zum teil auf schwarzem gold (vinyl)
manchmal muss man sich einfach von einer gewissen anspruchshaltung verabschieden... oder halt theatermusik machen. je nach dem.
Genau. Das dachte ich auch gerade beim Lesen. Tatsache ist: Es war überhaupt noch niemals so billig, eine Platte aufzunehmen, wie jetzt. Wozu brauchen Kante für ihren Kram bitteschön 140.000 Tacken? Da haben die Jungens wohl einen etwas korrekturbedürftigen Ansatz.
Den Vorwurf der Anspruchshaltung halte ich für stark überzogen, denn wenn man heute eine Scheibe aufnimmt mit richtigen Musikern und gut ausgerüstetem Studio, dann ist das immer noch so teuer wie eh und je. Platten produzieren ist keineswegs billiger geworden, höchstens für Leute die ihren Kram auf'm iPad zusammenklicken aber das werden sie wohl (mit vollem Recht) nicht im Auge haben. Das ist hoffentlich nicht das was ihr unter "Anspruchshaltung" versteht. Bitte nicht.