laut.de-Kritik
Denkwürdiger Abend in den Londoner Abbey Road Studios.
Review von Alexander EngelenKanye West ist jetzt endgültig ein Star. Die Beweise? MTV sucht in einer Show für abgedrehte Fans Kanye-Doubles, die amerikanische Presse schenkt einem Copyright-Prozess um Kanye mehr Beachtung als dem politischen Geschehen daheim, und Tom Cruise engagiert den Produzenten für den Sound von "Mission Impossible III". Der Meister selbst knutscht mit Pamela Anderson, singt mit Popstars vom Kaliber Adam Levine (Maroon 5) und engagiert ein 17-köpfiges Orchester zu seinen Bühnenshows. Zumindest für einen denkwürdigen Abend.
Am 21. September des letzten Jahres erfüllte sich Kanye West einen lang ersehnten Traum: ein Live-Konzert in den berühmten Londoner Abbey Road Studios begleitet von zwölf Geigen, vier Cellos und einer Harfe. Laut Protagonist "another class of Hip Hop". Ohne Frage - Live-Orchester, Seidenjacket mit Rose am Revers und Hip Hop in den durch die Beatles und Pink Floyd bekannt gewordenen, Abbey Road Studios sind im Genre ohne Vergleich. Einmal mehr macht so etwas nur Herr West möglich.
Gerade Wests letztes Album "Late Registration" lebte mit Stücken wie "Diamonds From Sierra Leone", "Bring Me Down", "Gone" oder "Touch The Sky" von voluminösen Arrangements, die für ein Streicherorchester in dieser Größe und Klasse prädestiniert sind. Und diese Tracks gewinnen mit genial gesetzten Strings wahrlich an Größe. Sie verändern ihr Gewand und verlieren rein gar nichts von ihrer musikalischen Klasse. Der Druck der Bläser auf dem Curtis Mayfield-Cover "Touch The Sky" stellt für die Geigen genauso wenig ein Problem dar wie Lauryn Hills akustische Gitarre auf "All Falls Down". Bei "Heard 'Em Say" setzt John Legends Piano zusätzlich besondere Akzente, Lupe Fiasco gibt seinen Part auf "Touch The Sky" zum Besten, und die Good Music-Bagage bestehend aus GLC und Consequence gastieren passend auf "Drive Slow" und "Gone".
Die ruhigeren Stücke der West-Diskographie - "Drive Slow", "Crack Music" oder "Jesus Walks" - wirken mit den Streicher-Arrangements noch durchdringender, die organischen Klangteppiche gehen noch tiefer in die Gehörgänge und intensivieren das Sounderlebnisse dieser großen Songs. Den Höhepunkt liefert "Bring Me Down", das schon auf Platte ordentlich Eindruck machte. Dank Kanyes beeindruckender Performance hat das R'n'B-Stück, im Original in Kollaboration mit Brandy, auf diese Weise Theater-Qualitäten.
Während der gesamten Show kann der Protagonist seine Freude über dieses musikalische Projekt nicht verbergen und gewinnt dadurch Sympathiepunkte. Man merkt, die orchestrale Interpretation seines ersten Hits "Through The Wire" bewegt diesen Mann. Das nimmt der Veranstaltung an Verkrampftheit, die sich wegen des lahmen Publikums, bestehend aus geladenen Menschen aus der Musikindustrie, immer wieder einschleicht.
Neben dieser wegweisenden Live-Show wartet "Late Orchestration" schließlich noch mit einigen Extras auf: Bonus-Material von der Vorbereitung der Show, ein Interview mit dem sichtlich begeisterten Kanye, und nicht zuletzt fünf grandiose Videos, bei denen Kanye offensichtlich nie etwas falsch macht.
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