laut.de-Kritik

Mit Lippenstift und Petticoat knietief im Indierock.

Review von

Kate Nash mutiert zur Rockerin. Kann man jetzt überall so oder so ähnlich lesen. Stimmt aber nicht ganz. Denn im Vergleich zu ihrem letzten künstlerischen Lebenszeichen geht das britische Popsternchen mit "Girl Talk" eher wieder einen Schritt zurück, als weiter in Richtung Rock und Punk.

Im Sommer letztes Jahr überraschte Nash die britische Öffentlichkeit mit dem zornigen Riot-Grrrl-Rocker "Under-Estimate The Girl", genoss die positiven, kommentierte sarkastisch die negativen Reaktionen und schob derart befeuert die ebenso gitarrenlastige wie experimentelle "Death Proof"-EP hinterher. Überraschend dreht sie auf "Girl Talk" den Zorn-Regler wieder etwas runter und erlaubt hier und da ihrem zuckersüßen Pop Zutritt.

Der Bubblegum-Indierock, der dabei herauskommt, steht der 25-Jährigen aber gar nicht so schlecht. So weiß zum Beispiel "Are You There Sweetheart" sowohl mit kräftigem Basslauf und infektiöser Gitarrenmelodie zu begeistern, als auch mit der zarten Stimme Nashs, wie sie eine dieser unverkennbar eingängigen Melodien säuselt.

"Death Proof" könnte man schon von der gleichnamigen EP kennen, genau wie "Fri-End". Sie aufs Album zu packen war allerdings nicht die schlechteste Idee, denn sie gehören zu den stärksten Songs. Das Rad erfinden beide zwar nicht neu, der Pop-Punk des letzteren und der an die Libertines erinnernde Indierock des ersteren gehen aber sofort ins Ohr.

Auf dem ungestümen "Cherry Pickin" klingt Nash wie eine (wenn auch zahm) verzerrte Poly Styrene, auf dem ruhigen, rein akustischen "You're So Cold, I'm So Freaky" hingegen wie Kimya Dawson. Auch das muss man erstmal hinkriegen. Dazwischen verbirgt sich aber auch das ein oder andere Mal Durchschnittsware.

Nicht so "Rap For Rejection": Der Song wirkt hierzulande wie ein Kommentar auf die #aufschrei-Debatte, obwohl Nash davon höchstwahrscheinlich nichts mitbekommen hat. Betont dilettantisch rappt sie über verschiedene alltägliche Sexismen und konstatiert: "You're trying to tell me sexism doesn't exist? If it doesn't exist, then what the fuck is this?"

Überhaupt, Feminismus: Nash lässt nicht nur in "All Talk" wissen: "I'm a feminist / And if that offends you / Then fuck you". Seit ihrer ersten Single kämpft sie auch außerhalb ihrer Songs dafür, trotz ihrer Liebe zu Petticoats, Lippenstift und knalligen Farben nicht für ein naives Girlie gehalten zu werden. Mittlerweile reist sie mit ihrem 'Rock'n'Roll for Girls After School Music Club' von Schule zu Schule und ermutigt Mädchen zum Musikmachen.

Die nötige Unabhängigkeit - wahrscheinlich auch für dieses Album - erlangt sie mit ihrem vor kurzem gegründeten eigenen Label. Schade nur, dass es das "Girl Gang", ein energiegeladenes Cover der L.A.-Skate-Punker Fidlar, nicht aufs Album geschafft hat: Denn genau mit so einer, ihrer neuen All-Girl-Band, hat Nash das Album aufgenommen.

Kate Nash schält sich mit "Girl Talk" endgültig aus dem Korsett all zu süßlicher Pop-Kost. Sie mutiert dabei zwar weder zu Karen O, noch zu Alison Mosshart, dafür klingt sie dann doch immer noch etwas zu brav. Andererseits haben wir es hier auch nicht mit Christina Aguilera zu tun, die mal eben "dirrty" wird, um sich neue Zielgruppen zu erschließen. Sondern mit einer Sängerin und Songwriterin, die weiß, was sie will und genau das auch macht. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht, wenn sie demnächst wieder einen Schritt vorwärts macht.

Trackliste

  1. 1. Part Heart
  2. 2. Fri-end?
  3. 3. Death Proof
  4. 4. Are You There Sweetheart?
  5. 5. Sister
  6. 6. Omygod!
  7. 7. Oh
  8. 8. All Talk
  9. 9. Conventional Girl
  10. 10. 3AM
  11. 11. Rap For Rejection
  12. 12. Cherry Pickin
  13. 13. Labyrinth
  14. 14. You're So Cool, I'm So Freaky
  15. 15. Lullaby For An Insomniac

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