laut.de-Kritik
Pünktlich zum 30-jährigen Jubiläum geht's zurück zur Basis.
Review von Kai Butterweck"Mitten im Fluss kann man nicht einfach aufhören zu schwimmen. Ist es bis hier geschafft, los, den Kopf hoch, den Rest", ermutigt Keimzeit-Urgestein Norbert Leisegang die Hörerschaft zum Durchhalten. Auch das Bad Belziger Familien-Unternehmen hält schon eine ganze Weile durch; dreißig Jahre, um genau zu sein. Pünktlich zum Bandjubiläum wollen es die Folk-Pop-Veteranen folgerichtig noch mal wissen und präsentieren dieser Tage mit "Kolumbus" ihr zehntes Studioalbum.
Dieses führt die Band musikalisch wieder zurück zu ihren Wurzeln. Dahin, wo mit "Irrenhaus" (1989) und "Kapitel Elf" alles anfing und im 93er Meisterwerk "Bunte Scherben" seinen Höhepunkt fand. Zwar werden oberflächliche Schönwetter-Fans des Quartetts auch dieses Mal wieder vergeblich nach einem "Kling Klang"-Klon suchen, aber all diejenigen, die sich in den letzten Jahrzehnten mehr an den "Innereien" der Band erfreuten, werden auch "Kolumbus" in ihr Herz schließen.
Klassisch instrumentiert und weitgehend befreit von technischem Schnickschnack geht es wahlweise zart und poppig ("Kolumbus", "Einmalig"), angezerrt und rockig ("Du Verstehst Mich Nicht", "Aquarium") oder verspielt und experimentell ("Das Gute Beispiel", "Streik") zu. Zwischen unspektakulären Standard-Rythmen und verhaltenem Gitarren-Gezupfe, schleicht sich auch gerne mal ein grooviger Off-Beat von hinten an; oder die Verantwortlichen testen, wie im Falle von "Kein Zurück", die Hüpf-Fähigkeiten ihrer Anhängerschaft.
Zwar hätte man sich die beiden kurzweiligen Instrumentals "Schlangenherz 1" und "Schlangenherz 2" auch sparen können, aber insgesamt ankern die Altherren-Poeten musikalisch endlich wieder im Heimathafen. Und wie heißt es doch gleich: Zuhause ist doch immer noch am schönsten.
Was im Falle von Keimzeit die meisten Leute aber mindestens genauso interessiert wie die Klanglandschaften, sind die Texte. Und auch hier zeigt sich Mastermind Norbert Leisegang fernab von einsetzendem Rost. Lakonisch, bissig und humorvoll wie eh und je ruft er zur Allgemeinverweigerung ("Streik") auf, hört einem verzweifelten Bulgaren im Schlafwagen zu ("Nachtzug Nach Sofia") oder tritt dem inneren Schweinehund auf die Füße ("Mitten Im Fluss").
Keimzeit wringen mit "Kolumbus" nicht einfach nur ihr Erbe aus, sondern positionieren sich nach langer Durststrecke wieder dort, wo sie Anfang der Neunziger wie ein Fels in der Brandung standen. Auch wenn sie nie wirklich weg waren: Willkommen zurück.
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