laut.de-Kritik
Punk war gestern - heute spielt die Musik in der Disko.
Review von Rahel BeyelerKelly Osbourne hat die Gitarre ausgestöpselt und vertraut auf ihrem zweiten Album "Sleeping In The Nothing" ganz auf elektronische Klänge. Punk und New Wave waren gestern, heute spielt die Musik in der Disko. Die vorab ausgekoppelte Single "One Word" gibt die Richtung an: Sphärisch pfeifen die Keyboards auf und nieder, die Drum-Machine gibt einen gebremsten House-Rhythmus vor. "Edge Of Your Atmosphere" legt noch ein flotteres Tempo vor und besteht fast nur noch aus Rhythmus und Stimme, andere Stücke nähern sich dem Dance-Pop Kylie Minogues.
Ausnahmen wie "Uh Oh" oder das gitarrenlastige "Don't Touch Me" bestätigen nur die Regel. Für Ohrwurmcharakter und satten Sound verbürgt sich Produzentin und Co-Songschreiberin Linda Perry, die bereits mit Christina Aguilera, Gwen Stefani oder Pink zusammen gearbeitet hat. Perry, die sich langsam zum musikalischen Selbstfindungs-Guru von jungen weiblichen Starlets entwickelt, hat den 80ies-angehauchten Sound perfekt auf Kellys etwas eingeschränktes gesangliches Können zugeschnitten.
Im Gegensatz zum dynamisch luftigen Popsoundteppich sind die Texte oftmals keine leichte Kost und sehr persönlich gefärbt. In "Don't Touch Me" singt der Osbourne-Spross über eine Date-Vergewaltigung, in "Save Me" thematisiert sie ihre Drogenabhängigkeit, und in "Redlight" spricht sie ihre nagenden Selbstzweifel und Unsicherheiten an. Fräulein Osbourne erscheint tatsächlich etwas reifer und erwachsener.
Es ist nicht zu erwarten, dass man Kelly für ihren zweiten musikalischen Output Anerkennung und Respekt en masse entgegenbringen wird. Erstens hat dank der schrägen Osbourne-Familienshow fast jeder eine vorgefertigte Meinung über Ozzys jüngste Tochter; da sich Dramaqueen Kelly in der MTV-Produktion nicht selten mit nervend theatralischem Getue hervorgetan hat, ist das allgemeine Bild wohl oft nicht sehr positiv. Zweitens hat ihr auch das bemüht rotzige Debüt "Shut Up" nicht unbedingt zu Achtung und Glaubwürdigkeit verholfen. Und jetzt noch dieser übergangslose Wechsel von US-Edel-Punk zu Elektro-Pop ...
Doch werfen wir einmal alle Vorurteile über Bord: "Sleeping In The Nothing" hat durchaus eine Chance verdient. Zumindest alle tanzwütigen Elektro-Pop-Fans sollten eigentlich ihre Freude an diesem Album haben.
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