laut.de-Kritik
Eine Horde rastloser Ehemaliger macht auf Alice In Chains.
Review von Kai ButterweckWenn ein Tour-Package wie die berühmte Faust aufs Auge passt, dann wohl die gerade erst in den USA beendete Konstellation Adrenaline Mob/Kill Devil Hill; zwei Combos, deren Mitglieder in den vergangenen Dekaden bereits jeden noch so verwinkelten Ort dieses Planeten mit ordentlich Starkstrom-Klängen beschallt haben. Im Falle von Kill Devil Hill reicht die musikalische Vergangenheit einer ihrer treibenden Kräfte gar bis in die frühen achtziger Jahre zurück.
Doch nicht nur Drummer Vinny Appice erinnert sich an glorreiche Zeiten mit Bands wie Black Sabbath oder Dio. Auch seine Mitstreiter Mark Zavon (Gitarre), Jason Bragg (Gesang) und Rex Brown (Bass) haben bereits vor vielen Jahren ihre Unschuld in illustren Bands wie Pantera, W.A.S.P. oder Pissing Razors verloren.
Demnach sollte man meinen, dass die Jungs wissen, was sie tun. Und für wahr: Ihr selbstbetiteltes Debüt klingt zu keiner Zeit wie ein musikalischer Selbstfindungstrip einer erst seit drei Jahren bestehenden Kapelle, sondern vielmehr nach einem durch und durch strukturierten Gesamtpaket, das vor zwanzig Jahren wahrscheinlich schnurstracks in die Charts spaziert wäre.
Das hätte Bands wie Alice In Chains oder den Stone Temple Pilots seinerzeit aber überhaupt nicht in den Kram gepasst, denn Kill Devil Hill wildern genau da, wo sich die Mannen um Layne Staley und Scott Weiland in den frühen Neunzigern am wohlsten fühlten: im Grunge-Genre. Auch wenn ihr Erstling sicherlich nur bedingt mit der Ausdrucksstärke und dem tiefgreifenden Vibe einer Scheibe wie "Dirt" mithalten kann, so fahren Kill Devil Hill auf ihrem Debüt doch genug psychedelisch angehauchte Flanellhemd-Qualität auf, mit der es seinerzeit zumindest für einige Trittbrettfahrer-Lorbeeren gereicht hätte.
Während die Band zu Beginn mit dem Opener "War Machine" noch eher wie eine Hartholz-Version von Godsmack daherkommt, begibt sie sich bereits mit dem folgenden "Hangman" auf die Pfade, die einst Alice In Chains zu Weltruhm verhalfen. Ausgeklügelte Riffs, groovende Rythmen und Jason Braggs ziehendes Organ lassen bei all denen Erinnerungen wach werden, die noch zu Zeiten des Mauerfalls ihren Schulabschluss gemacht haben.
Mit "Voodoo Doll" überspannt das Quartett den Bogen ein wenig und verliert sich zunehmend in Moll-lastigen Sound-Landschaften, denen man zum Ende hin nur noch bedingt folgen möchte. "Gates Of Hell" funktioniert da schon besser. Auch hier wird das Tempo auf ein Minimum gedrosselt und der Dunkelheit gehuldigt; jedoch hebt sich der Song in punkto Songwriting und Nachhaltigkeit meilenweit von seinem Vorgänger ab.
Weitere interessante Spielereien finden sich auf Songs wie "Mysterious Ways" oder "Old Man", wenn der Vierer vom eingeschlagenen Pfad abweicht und mit eingängigen Cowboy-Chords oder aber flottem Headbanger-Allerlei unter Beweis stellt, dass die bandeigenen Scheuklappen durchaus verstellbar sind. Genau hier sollte das Quartett in Zukunft ansetzen, um dem Ganzen noch ein bisschen mehr Zeitgeist und Frische einzuverleiben.
Denn spätestens nach dem zweiten Durchlauf bedankt man sich für die druckvolle Dosis angestaubter Erinnerungen mit dem Gang zum CD-Regal, um im Laufwerk nach langer Zeit mal wieder Platz für die eingangs erwähnten Alt-Heroen zu machen. Das kann's doch nicht sein, oder?
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