6. Mai 2020

"Wir wollten diesen Nashville-Style"

Interview geführt von

Country in der DNA, Pop im Herzen: King Calaway haben es sich zur Aufgabe gemacht, von ihrer Bandzentrale in Nashville aus ihren eingängigen, sonnigen Pop mit Americana- und Folk-Vibes nun auch außerhalb des US-amerikanischen Musikmekkas bekannt zu machen. Nachzuhören ist das auch auf ihrem Debütalbum "Rivers".

Zwischen Eagles und One Direction: So bezeichnete Billboard vor einiger Zeit King Calaway. Der Boygroup-Vergleich rührt vor allem von der Entsteheungsgeschichte der Band – denn das Bandkonzept stammt aus der Feder eines Musik-Executives aus Nashville, Robert Deaton. Dem schwebte ein junges, frisches Format vor: Eine Gruppe an Multiinstrumentalisten, die Country und Pop, Nashville-Vibes und Top-40-Appeal, eingängige Hooks und Americana-Storytelling miteinander zu verbinden. Mit dieser prominenten Schützenhilfe entstand King Calaway – ein Sextett mit Mitgliedern aus den USA, Schottland und Gibraltar.

Für die Musiker – allesamt aus verschiedenen Backgrounds, allesamt äußerst fähige Instrumentalisten und Sänger – ging alles recht schnell. Plattenaufnahme, Gigs auf großen Bühnen, Tourneen mit großen Namen. Vor einigen Wochen feierte die Band ihr Deutschland-Debüt auf dem Berliner Country-To-Country-Festival. Es waren die letzten Tage, bevor die Corona-Krise auch endgültig zu uns rüberschwappte – aus diesem Grund begrüßten wir Caleb Miller, Chris Deaton, Simon Dumas, Jordan Harvey, Chad Michael Jervis, and Austin Luther vor und nach dem Interview sogar noch ganz Oldschool mit Handschlag.

Was bedeutet Country für euch?

Jordan Harvey: Ich bin in Schottland aufgewachsen, wo Folk-Musik sehr verbreitet ist, aber auch viel Folk-Musik. Dieser Storytelling-Aspekt hat mich sehr fasziniert. Als ich dann nach Nashville gezogen bin, war ich schon absoluter Country-Fan. Für mich waren die Parallelen wischen irischer und schottischer Folk-Musik und Country wichtig für mein musikalisches Verständnis.

Simon Dumas: Als ich nach Nashville gezogen bin, wollte ich Teil von etwas sein, das seine Wurzeln in organischen Sounds hatte – ich wollte keine Computermusik machen. Ich bin mit Eagles und The Beatles aufgewachsen – das ist keine Country-Musik, aber es gibt da einige Elemente. Ich suchte das Storytelling, die Harmonie – all das, was Nashville ausmacht.

Chris Deaton: Ich komme ja aus Nashville – deswegen bin ich natürlich mit Country-Musik aufgewachsen.

Chad Michael Jervis: Ich bin hingegen eher ein Late Bloomer. Ich habe mit acht Jahren ein Greatest-Hits-Album von Elvis bekommen. Seit da wusste ich, was ich mit meinem Leben machen möchte. So richtig auf Country-Musik bin ich gekommen, als ich mit 18 Jahren das erste Mal in Nashville war. Ich lernte die Musik zu schätzen, weil ich sie dort live sehen konnte. All diese grandiosen Musiker – wir haben so viele tolle Songwriter gesehen. Für mich begann da die Liebe zur Musik, zu vielen älteren Country-Sängern – aber auch für Mainstream-Country. Das interessante an unserem Album ist ja, dass es sich außerhalb dieser Country-Welt abspielt. Aber weil es in Nashville entstanden ist, hörst du all diese Aspekte dennoch irgendwie. Wir wollten diesen Background in Ehren halten. Wir haben das Album ja auch live aufgenommen – wir wollten diesen Nashville-Style.

Austin Luther: Ich muss diesbezüglich etwas aus der Reihe tanzen. Ich komme aus einer Kleinstadt in Minnesota – und habe die Musik durch das Internet kennengelernt. Ich stand eher so auf alten Soul, RnB. Stevie Wonder, Earth, Wind & Fire, sowas. Ich glaube, das musikalische Können der Country-Szene hat mich schlussendlich dorthin gezogen, die meisten Musiker aus diesen Breitengraden sind fantastische Instrumentalisten.

Eure Heimatstädte sind ja über den ganzen Globus verstreut. Wie kam die Band eigentlich zusammen?

Simon Dumas: Chris' Vater Robert Deaton, unser Manager, hatte die Idee, eine Band zusammenzustellen. Musiker, die ohne Computer spielen, die Elemente der Eagles mit aktuellem Country-Sound verknüpfen können. Wir hatten alle nach sowas gesucht. Und als wir Robert kennenlernten, meinte der: 'Kommt doch nach Nashville. Lasst uns mal ein paar Wochen rumprobieren und schauen, was draus wird.' Es ist dann alles sehr schnell und organisch passiert. Nach dreieinhalb Wochen hatten wir eine Band zusammen. Wir waren zunächst fast wie eine Schulband: Wir hatten eine P.A., nahmen eben alle Instrumente die rumstanden und spielten Covers. Wir schauten erstmal, wo unsere Stärken liegen. Wir trafen uns und entschieden uns, dass wir es versuchen wollen. Es war auch gewissermaßen ein Sprung ins kalte Wasser, weil mit so einer Entscheidung ja auch ein gewisses Risiko einhergeht.

Wie war denn die Dynamik des erstens Treffen?

Jordan Harvey: Ich komme ja von einer Musikschule, deswegen war diese Arbeitssituation für mich nichts wirklich Neues. Es war komisch, wir waren anfangs so höflich. "Oh, das ist ja toll!". Nach einigen Wochen hat sich das aber geändert (lacht). Wir sind eben respektvolle Menschen, waren zu Beginn noch schüchtern. Wir sahen schnell die stärken des anderen. Caleb war damals 17, der jüngste. Er war schüchtern – aber wir sahen, dass er brillant war. Wir haben erstmal herumprobiert, wer was machen will und dann haben wir versucht, die Stärken zu fördern. Es fühlte sich schnell natürlich an – und wir lernten uns schnell kennen, gingen nach der Probe noch auf ein paar Biere.

"Das Saxophon kommt noch!"

Hattet ihr von Anfang an definitierte Rollen?

Simon Dumas: Wir legten gleich zu Beginn fest, dass wir alle singen würden. Die Lead-Parts wurden zwischen drei Leuten aufgeteilt. Und in Sachen Instrumentierung einigten wir uns auf eine Grundformation, wer was machen wird. Aber spielen alle mehrere Instrumente – Austin kann zum Beispiel auch Gitarre, Mandoline und Banjo, bleibt aber meist am Bass. Bei Simon ist das ähnlich. Die Gitarristen bei uns tauschen ihre Rollen, Lead- und Rhythmus, akustisch und elektrisch.

Chris Deaton: Es ging immer darum, wie man den Songs am besten dienen kann. Wie Jordan sagte: Die King Calaway, die die Leute heute sehen, sind erstmal eine Grundformation. Ich freue mich darauf, wenn wir größere Bühnen bespielen können, dann nehmen wir noch viel mehr Instrumente mit (lacht). Das Saxophon kommt noch (lacht)!

Dann ging alles schnell. Ihr habt gleich große Bühnen gespielt, seid mit großen Namen getourt. Hattet ihr Zeit, das zu verarbeiten?

Chad Michael Jervis: Ja, mir ist es wichtig, manchmal innezuhalten und versuchen, das ganze aufzunehmen. Zu sagen: "Wow, wir spielen gerade mit Garth Brooks vor 70.000 Menschen und er hat uns gerade angekündigt. Wie verrückt ist das". So schnell das auch ging – und das war echt ein konstanter Wirbelwind – habe ich versucht, das wirklich zu absorbieren. Das werde ich mal meinen Enkeln erzählen. Ich weiß, dass das eine der besten Zeiten meines Leben bleiben wird.

Jordan Harvey: Letztes Jahr gab's zwei Tage: an einem Tag spielten wir die Today Show, dann flogen wir nach L.A. und spielten die Late Late Show with James Corden. Da hast du einfach keine Zeit, darüber nachzudenken. Wir denken nur an die Musik, versuchen das beste rauszuholen. Und wenn man's dann gemacht hat – im Flugzeug, zuhause, wo auch immer – dann kann man einen Schritt zurückgehen. Und es gibt all diese Sachen ja auf Video, sie sind dokumentiert – und wir können darauf zurückgreifen.

Chris Deaton: Kümmere dich um die Musik und die Musik wird sich um dich kümmern, das war immer das Motto. Bescheiden bleiben, der Rest ergibt sich.

Fühlt ihr bei dem ganzen auch einen gewissen Druck?

Austin Luther: Es gibt immer Druck, überall. Der Druck zu wachsen, sich zu entwickeln. Und den machen wir uns auch selbst.

Caleb Miller: Und das ist auch gut so. Dieser Druck tut uns gut.

Chad Michael Jervis: Vor allem, wenn du so schnell ins Rampenlicht kommst. Das erste, was du siehst, wenn du uns googelst, ist, dass wir eine gecastete Boyband sind. Das setzt dich schon alleine unter Druck. Für mich war das am Anfang stressig: Oh Mann, ihr habt uns noch nicht mal eine Chance gegeben. Aber die Leute merken, wenn sie uns sehen, schnell, was Sache ist. Aber wie Caleb gesagt hat: Es gibt da mittlerweile diesen gesunden Druck, den wir uns selbst machen.

Stört euch dieses Boyband-Ding? Billboard hat euch mal als Mischung aus The Eagles und One Direction bezeichnet.

(Gelächter)

Austin Luther: Naja, schlechte Publicity ist auch immer noch Publicity.

Caleb Miller: Wir lachen darüber. Außerdem tanzen Boybands, wir tanzen doch gar nicht. Wir nehmen uns selbst außerdem auch nicht besonders ernst. Aber wir sind ganz sicher keine Country-Boyband.

Seht ihr euch selbst als Country-Act?

Jordan Harvey: Es gibt bei uns Raum für alles. Du wirst Soul raushören, Pop – aber dadurch, dass es in Nashville entstanden ist, sind wir uns bewusst, dass es eine Nashville-Country-DNA hat.

Chad Michael Jervis: Wir kommen alle eher aus ländlichen Gebieten. Manchmal spricht unsere Musik mit einem Südstaaten-Akzent – und manchmal mit einem schottischen oder einem anderen Akzent. (lachen)

Jordan Harvey: Wir lieben Country-Musik und wir haben gesehen, wie loyal Country-Fans sind. Nicht nur in den USA, auch in England, Deutschland. Wir haben großes Glück, dass wir in der Szene so viel Unterstützung erfahren.

Born and raised in Nashville

Seid ihr eigentlich alle fix nach Nashville gezogen?

Jordan Harvey: Ja, das sind wir. Zunächst haben wir in einem AirBnB gewohnt, dann sind wir alle hergezogen. Außer Chris, der kommt ja von hier.

Chris Deaton: Born and raised!

Eine letzte Frage: Ist es wahr, dass ihr eure Band nach einem ehemaligen Arbeitskollegen, der mit Nachnamen Calaway hieß, benannt habt.

Chris Deaton: Ja, das ist wahr. Matt Calaway hieß der Typ. Ich wusste nicht, dass das auch eine Golfmarke ist. Ich mochte einfach den Namen Calaway. Ihn nannten auch alle nur Calaway. Ich hab den Namen irgendwann mal vorgeschlagen, wir haben noch ein King davorgeklatscht ... fertig!

Und wie findet er das?

Chris Deaton: Ich habe mit ihm darüber nicht gesprochen. Wir müssen ihm eines Tages wohl einen Scheck schreiben.

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