Porträt

laut.de-Biographie

Fraktus

"Zu früh, zu abgedreht, ihrer Zeit voraus - Fraktus sind schon mit die Erfinder von Techno. Ihre Soundideen wurden erst zehn, fünfzehn Jahre später wirklich für die Masse interessant." So beschreibt Jürgen Laarmann, als ehemaliger Chef der Techno-Zeitschrift Frontpage jemand, der es wissen muss, die Tragik von Fraktus. Erst ein später Dokumentarfilm samt Reunion-Tour sollte die Elektronik-Pioniere einem etwas größeren Publikum bekannt machen.

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Die Geschichte von Fraktus beginnt im von der Anti-Atomkraft-Bewegung hart umkämpften Brunsbüttel, wo Bernd Wand (Geräusche), Dirk Eberhard 'Dickie' Schubert (Gesang) und Meinhard Gnom (Schlagzeug) im Punk-Jahr 1978 zusammen die Band Freakazzé gründen.

Sie experimentieren mit Geräuschen, wobei Wand die Idee des Samplings entwickelt. Sie treten in Jugendzentren auf und spielen auf selbst angefertigten Instrumenten. Da sie für ihre sperrige Musik kein Label finden, vertreiben sie ihre erste Single auf dem eigens dafür gegründeten Klangsalat-Label.

Beim "Battle of the Bands" der Brunsbüttler Diskothek Bubble im Frühjahr 1980 treffen sie auf den lokal tätigen Produzenten Thorsten Bage. Der steigt wenig später bei Freakazzé ein. Der Name wird in Fraktus geändert und Schlagzeuger Meinhard Gnom von einem von Wand gebauten Vorläufer der Drum-Machine ersetzt. Trotzdem bleibt Gnom der Band, zunächst als Mischer, später als Roadie, erhalten.

Die erste LP "7353=057" erscheint Ende 1980 auf dem Hamburger Independentlabel ZickZack. Der Albumtitel - auf den Kopf gestellt ergibt er die Gleichung "LSD=ESEL" - prangert den Drogenkonsum der zu Witzfiguren verkommenen Hippies an, zu denen auch die älteren Brüder einiger Bandmitglieder zählen.

Die Platte kombiniert auf vorher ungekannte Weise die rohe Energie des Punk mit einigen elektronischen Facetten des Krautrock. 'Mittagspause meets Kraftwerk' könnte man wohl sagen, allerdings sind die Stücke noch sehr schlicht produziert.

Blixa Bargeld soll die Band deswegen später schelten: "Fraktus haben diese gerade Bassline vielleicht als erste benutzt, das kann sein, aber nicht aus einer kreativen Entscheidung heraus, sondern aus Unfähigkeit, etwas anderes zu tun." Die schrägen, reduzierten Texte verraten eine Nachbarschaft zu Der Plan.

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Nach einer wenig erfreulichen Tour im Vorprogramm von Andreas Dorau folgt 1982 der Zweitling "Tut Ench Amour". Die Platte gilt Kennern als Fraktus' Meilenstein. Noch lange bedienen sich Technoproduzenten an der Fülle von Ideen, die sich auf dem Album verbergen. Teile des Tracks "Supergau" machen in den 90ern Westbams "Sonic Empire" zum Hit. Ein Snippet aus "Bombenalarm" avanciert in den 2000ern zum Jingle von Deutschlands größtem Telekommunikationsanbieter. Kommerziell gerät das Album jedoch zum Desaster.

Dennoch wechseln Fraktus noch im selben Jahr vom Indie ZickZack zum Majorlabel Ariola, wo sie sich als Neue Deutsche Welle-Hitmacher etablieren sollen. Eine kommerzielle Version von "Affe Sucht Liebe" schafft es aber nur bis auf Platz 21 der deutschen Musikcharts. Viele Musikkenner gehen trotzdem davon aus, dass der Song mit seinem markanten Drum-Break als Vorlage für den späteren New Order-Hit "Blue Monday" diente.

Im Herbst 1983 folgt die LP "Automate", die den Niedergang von Fraktus dokumentiert. Während der Aufnahmen kommt es zu Konflikten innerhalb der Band, woraufhin die Plattenfirma externe Produzenten und Komponisten einsetzt. Zu viele Köche verderben bekanntermaßen aber schnell den Brei. Zudem werfen Fans und Kritiker Fraktus vor, sich mit "Automate" an die Industrie verkauft zu haben.

Den endgültigen Todesstoß verpasst der Band ein Auftritt in der Turbine in Hamburg Ende 1983. Ein Kurzschluss an einem Theremin entfacht ein Feuer, das die Turbine bis auf die Grundmauern niederbrennt. Fraktus verlieren alle Instrumente und trennen sich kurze Zeit später.

Erst fünfundzwanzig Jahre später sollte Fraktus doch noch zu etwas Ruhm kommen. Der Musikproduzent Roger Dettner sucht die - so munkelt man - Erfinder des Techno auf und überredet sie zu einem Comeback. Es folgen eine Dokumentation, das Best-Of-Album "Millennium Edition" (2012) und eine Tour.

Allerdings: Das alles entpuppt sich als groß angelegte Fälschung. Hinter den drei Bandmitgliedern steckt das Dada-Trio Studio Braun. Jacques Palminger, Rocko Schamoni und Heinz Strunk, ihren anfänglichen Telefonstreichen längst entwachsen, drehen 2012 die Mockumentary "FRAKTUS - Das letzte Kapitel der Musikgeschichte" (Regie Lars Jessen). Dazu nehmen sie - with a little help from their friend Carsten 'Erobique' Meyer - eine vermeintliche Best-Of-CD auf und tingeln sogar als Fraktus durchs Land.

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In der gefälschten Doku entblößen sie - wie schon die Mutter aller Musik-Mockumentarys, "Spinal Tap", - das Pop-Geschäft und rollen die Musikgeschichte von hinten auf. Neben den vielen Details der Story und der Darstellung überrascht vor allem, wie viele Größen der Techno-Szene sich zu Statements über Fraktus haben überreden lassen. Unter anderem Westbam, Stefan Remmler (Trio), Dieter Meier (Yello), Blixa Bargeld (Einstürzende Neubauten), Hans Nieswandt (Whirlpool Productions), Scooter und Marusha verleihen der Geschichte mit O-Tönen Glaubwürdigkeit.

Musikalisch schaffen Palminger (als Bernd Wand), Schamoni (als 'Dickie' Schubert) und Strunk (als Thorsten Bage) ein kenntnisreiches und witziges Amalgam typischer Frühachtziger-Sounds. Auf "Millennium Edition" geben sich NDW, Punk, EBM, Krautrock und Techno ein Stelldichein.

Die holzschnittartigen Texte sprechen eine radikale Sprache, die zeitgenössische Themen aufgreift, von "Pogomania" und "Bombenalarm" bis "Untergrund" und "Computerliebe". Schamoni und Co. gehen auch tatsächlich als Fraktus auf Tour durch Deutschland.

Es gibt also trotz allem ein Album, eine Doku und eine Tour - und 2015 sogar noch mal ein Album "Welcome To The Internet". Trotz allem gilt, was Dieter Meier von Yello über Fraktus sagt: "Das ist ja eins der bekanntesten Phänomene der Musik- und Kunstgeschichte: Dass es immer Leute gab, die früher waren als andere und dann Dinge erfunden haben, die sich mit dem Zeitgeist nicht geschnitten haben. Und deshalb fand diese Explosion zum großen Hit nicht statt." Denn natürlich sind auch Studio Braun trotz ihres einzigartigen Humors nur einem kleinen Insiderkreis bekannt.

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    Homepage der Band mit einigen Doku-Ausschnitten.

    http://www.fraktus.de/
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