laut.de-Kritik
Elektronischer Tausendsassa von den Britischen Inseln.
Review von Daniel StraubAlte Zöpfe muss man manchmal einfach abschneiden, um sich wieder gut zu fühlen. Das hat sich vermutlich auch der britische Produzent Martin Dawson gedacht. Unter seinem Künstlernamen King Roc ist er seit 2004 eine feste Größe in der britischen Clubszene.
Vor allem mit einem Electro-House-Remix für New Order assoziieren die Briten seinen Namen. Auf dem Kontinent kennt man Dawson wohl eher an der Seite von Giles Smith als eine Hälfte des Deep-House-Duos Two Armodillos, das unter anderem auf Steve Bugs Label Phonique veröffentlicht.
Nun sind King Roc die geraden Beats mit einem Mal recht langweilig erschienen, also musste ein vergleichsweise radikaler Schnitt her. Das Ergebnis ist das Album "Chapters", auf dem sich der Brite als vielseitiger Produzent profiliert und sich in diversen Genres elektronischer Musik austobt.
Die mit den 13 Tracks des Albums dokumentierte Entwicklung hat ihren Anfang vor rund eineinhalb Jahren genommen, als die erste "Chapters"-Maxi erschienen ist. Konzipiert als Set von vier Maxis, jede in einem Poster des australischen Künstlers Seb Godfrey verpackt, wurden die Releases von der britischen Musikpresse sofort gefeiert.
Traditionell pflegt man auf der Insel einen weniger verkrampften Umgang mit musikalischen Genres, als auf dem Festland. Diese Saite bringt King Roc mit "Chapters" zum Klingen. Die 13 Stücke stecken ein weites Feld der elektronischen Musik ab: cineastischer Downbeat-Sounds, schleppende Trip Hop-Beats, nachdenkliche Deep House-Klänge, schwelgerischer Ambient-Inszenierungen und knackige Tech-House-Grooves finden auf dem Longplayer ihren gleichberechtigten Platz und ergänzen sich wunderbar zu einem großen Ganzen.
Kein Wunder, dass die britische Presse ein ums andere Mal Parallelen zwischen King Roc und Orbital ausmachte, die mit ihren Soundfusionen zu einem der wichtigsten Elektronik-Acts der 90er Jahre ausgestiegen sind und deren prägende Wirkung bis heute anhält.
Ob King Roc mit "Chapters" ein ähnlich einflussreiches Album gelungen ist, bleibt abzuwarten. Tatsache ist, dass nach Jahren der Ausdifferenzierung entlang festgezogener Genregrenzen, eine künstlerische Haltung, die auf Fusion statt Trennung setzt, durchaus ihren Charme hat. Auch wenn nicht alles auf "Chapters" bis ins letzte Detail stimmig ist und King Roc manchmal schlicht zu viel will.
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